Die Gauklerin von Kaltenberg
vor Schweiß, sie zitterte vor Schwäche, doch sie war unendlich erleichtert. Keuchend drückte sie das warme atmende Bündel an sich, aber sie konnte die Tränen nicht zurückhalten. Nach sechs Geburten fühlte sie sich zu Tode erschöpft.
»Ein schönes Kind, Hoheit. Und die Geburt war viel schneller als die anderen fünf.« Die Hebamme zog ruckartig an der Nabelschnur, um den Ausstoß der Nachgeburt zu beschleunigen. Die Kindsmagd verzog angeekelt das Gesicht, als sie den blutigen Klumpenauf einem Teller entgegennahm. Es war das erste Kind, bei dem das Mädchen helfen musste. Bei der letzten Geburt hatte ihre Vorgängerin noch gelebt.
Geübt wie eine Bäuerin bei ihrer Kuh schnitt die Wehmutter die Nabelschnur durch. Dann wusch sie sich die großen, knochigen Hände, richtete Beutel und Schere an ihrem Gürtel und ging vor die Tür. Beatrix hörte sie dem Astrologen eine Zahl zurufen und auf das abergläubische Pack schimpfen, das der Natur nicht ihren Lauf lassen konnte. Es war nicht ihre Idee gewesen, einen Stern kundigen herzuholen, aber es wurde gerade Mode.
Langsam nahm die Königin ihre Umgebung wieder wahr. Im Hintergrund des abgedunkelten Schlafgemachs stand ihr höl zernes Bett mit dem seidenen dunkelgrünen Baldachin. Neben ihrem Stuhl stand der Wasserbottich, über dem einige Tücher hin gen, und auf dem Tisch waren sogar noch die Reste des Essens. Als die Wehen losgegangen waren, hatte Beatrix noch auf ihrem Zimmer speisen wollen, aber viel hatte sie nicht heruntergebracht. Sie sah in den Spiegel, den ihr die Kindsmagd vorhielt. Ihr blondes wirres Haar umrahmte ein vollkommen erschöpftes Gesicht. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, und die Haut war von einer durchscheinenden Blässe.
Die Zofe begann, ihr das Haar wieder zu flechten. Es war, wie alle Knoten im Haus, gelöst worden, um die Geburt zu erleich tern – man sagte, Flechten ließen eine Kreißende länger in den Wehen liegen.
»Das Wasser ist zu warm!«, brüllte die Hebamme draußen die Knechte an. »Nutzloses Gesindel! Ich hatte euch doch gesagt, dass Jungen kälter gebadet werden! Ich brauche Tücher, um ihn ein zuwickeln. Und wo zum Teufel ist die Amme, soll der Prinz ver hungern?«
Sonst überließ Beatrix nur widerstrebend ein Neugeborenes ihren Dienern. Auch den kleinen Stefan hatte sie im Arm gehalten und zärtlichmit dem Finger das Mündchen gekitzelt. Aber erschöpft, wie sie war, war sie nun doch froh, allein zu sein. Sie hatte gerade die Augen geschlossen, als sich die Tür noch einmal öffnete. Ihr Widerwille über die Störung wich der Überraschung. Sie richtete sich im Bett auf. »Ludwig?«
Die freudige Nachricht von der Geburt eines neuen Sohnes schon auf den Lippen, betrachtete sie ihn näher. Sie erschrak. Er war schmutzig, seine Hände kalt und steif, und die Augen lagen in den Höhlen, als hätte er nächtelang nicht geschlafen.
»Um Gottes willen, was ist geschehen?« Sie schlug die Decke zurück und wollte aufstehen, aber er kam heran und hielt sie zu rück. Erschrocken betastete Beatrix sein Gesicht. Es war schma ler als sonst, Bartstoppeln kratzten ihre Handflächen, und die Lip pen waren farblos und zerbissen.
»Es wurden die schrecklichsten Gerüchte erzählt«, stieß sie her vor, als sie ihn halb lachend, halb weinend umarmte. »Niemand wollte mir etwas sagen, aus Angst, das Kind würde zu früh kom men, wenn ich mich aufrege. Ich weiß nur, dass du in Regensburg warst und dass es wieder keine Schlacht gab.«
Er sah stumm vor sich hin, und befremdet unterbrach sie sich. In den Jahren ihrer Ehe war er oft aufbrausend und nicht immer rücksichtsvoll gewesen. Sie hatte ihn laut lachen und weinen se hen, aber noch nie so teilnahmslos. Lächelnd drehte sie seinen Kopf zu sich herum. »Habt Ihr Euren Sohn Stefan gesehen, mein Herr?«
Er bejahte, doch es wirkte geistesabwesend. Sie griff nach sei ner Hand. Im Frühjahr war ihre fast dreijährige Tochter gestor ben, und sie beide hatten es noch nicht verwunden. Ludwig hatte die kleine Anna besonders geliebt.
»Es wird eine Entscheidung geben«, redete sie ihm zu. Sie richtete sich auf, um sich noch ein Kissen in den Rücken zu stopfen. Sie konnte nun ohnehin nicht mehr schlafen. »Aber du wirst Friedrich zwingen müssen. Er brennt lieber Dörfer nieder, als seine Pferdeaufs Spiel zu setzen oder gar seinen eigenen hübschen Kopf. Und du hast ihn vor Jahren bei Gammelsdorf schon einmal besiegt.«
Ludwig schien nicht einmal zu hören, was sie sagte. Schwei
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