Die Gauklerin von Kaltenberg
gend saßen sie nebeneinander, als er plötzlich flüsterte: »Er wollte mich töten.«
Beatrix schlug das Kreuz. »Was ist geschehen?«
Er antwortete nicht. Sie schüttelte ihn heftig. »Was?«, schrie sie.
Endlich hatte sie das Gefühl, dass er sie wieder wahrnahm. »Leopold hat mir Mörder ins Heer geschickt. Deshalb haben wir nicht gekämpft. Ich wusste nicht, wem ich trauen kann.«
»Gütiger Gott!« Beatrix berührte sein Gesicht, seine Arme, seine Brust. Er ließ es geschehen. Stumm umarmte sie ihn und hielt ihn so fest, als könnte sie ihn so noch nachträglich vor seinen Feinden beschützen. Nur widerwillig ließ sie ihn los. »Warum bist du nicht gleich hergekommen?«
»Das Isartor ist noch nicht fertig. Ich war mir nicht sicher, ob die Befestigungen standgehalten hätten. Und eine Belagerung so kurz vor deiner Niederkunft …«
Sie wollte etwas einwenden, aber er redete weiter, als würde es ihn unendlich erleichtern, es frei aussprechen zu können: »Meine Ratgeber werfen mir vor, dass ich zu viel Geld für die Städte ver schwende. Aber diese Wochen haben gezeigt, wie wichtig die neue Stadtmauer ist. Meine Verbündeten laufen mir davon. Immer wieder höre ich, dass ich mich mit dem neuen Papst verständigen soll. Aber dieser Johannes ist ein Krämer«, sagte er wütend. »Eine Marionette der französischen Könige. Seine Kollektoren würden noch mehr Geld aus den Leuten herauspressen und den Handel zum Erliegen bringen. Die Bauern wissen doch jetzt schon kaum, wie sie über den Winter kommen sollen. Nicht einmal ich kann meine Ritter noch bezahlen.«
Ludwig sprang auf und lief im Zimmer herum. Er zog sich einenScherenstuhl heran und ließ sich hineinfallen. »Vielleicht ist dieser ganze Krieg Sünde.« Er vergrub das Gesicht in den Händen. »Vielleicht hat Gott das Urteil gesprochen, und ich sollte aufgeben.«
Das verzweifelte Gesicht war genauso müde und bleich wie ihr eigenes. Beatrix wusste, dass diese Schwermut nicht seine Art war. Vier Jahre Krieg und Hunger hatten ihn ebenso zermürbt wie seine Bauern. »Rudolf fehlt mir«, sagte er leise.
Seit Monaten hatte er nicht von seinem älteren Bruder gespro chen. Beatrix wusste, wie sehr ihm der ewige Zwist zu schaffen ge macht hatte. Ein Dutzend Mal hatten sie sich versöhnt und wie der entzweit. Keiner dieser beiden bairischen Sturköpfe hatte es fertiggebracht nachzugeben. Und im August war Rudolf schließ lich ohne Versöhnung gestorben.
Ein Windstoß rüttelte an den Fensterläden und löschte die ein zige Kerze. Endlich schob sie zögernd ihre Hand über die Bett decke auf seine.
Ludwig blickte nicht auf. Aber seine Finger schlossen sich so fest um ihre, dass sie beinahe aufgeschrien hätte. Und dann, end lich, brachen die Tränen aus ihm heraus, die er im Leben nie um seinen Bruder geweint hatte.
Zur gleichen Zeit stand Jutha im zugigen Torhaus von Kaltenberg und sah den Reitern auf der Brücke entgegen. Es wurde kühl, dachte sie. Die Männer wirkten steif vom Reiten und von den Nächten im Freien. Kein Wunder, dass Ulrich ihr seine Ankunft hatte melden lassen. Er wollte alles vorbereitet finden: das warme Feuer, ein sauberes Bett und einen Becher heißen Wein. Jutha erschien die Aussicht, ihm die tagelang getragenen Stiefel auszuziehen, weit weniger behaglich. Eigentlich hatte sie ihn noch nie besonders vermisst. Und seit dem Krieg in der Hohenlohe tat sie es noch weniger. Er hatte sich verändert, vielleicht lag es an den Kopfschmerzen, die ihn seitdem manchmal quälten. Unvermittelt konnteer furchtbar aufbrausen – wie jemand, der damit einen anderen, tieferen Schmerz überspielte. Oder wie jemand, der sich vergewissern wollte, dass er überhaupt noch Gefühle hatte.
Ihre Zurückhaltung verflog auch nicht, als sie sich an dem schweren Eichentisch gegenübersaßen. Die wenigen Schritte von einem Ende der Tafel zum anderen schienen unüberwindlich. Selbst die Magd huschte wortlos und scheu von einem zum an dern und beeilte sich, wieder aus dem Zimmer zu kommen. Ul richs blondes Haar war gewachsen, und die hellen Augen waren verhangener als sonst. Er schien in Gedanken abwesend zu sein. Mit keinem Wort lobte er, dass seine Frau die Vorräte zusammen gehalten hatte, dass Vieh und Gesinde bei Kräften waren – anders als auf den meisten kleinen Burgen. Auch hier im Warmen be wegte er sich vorsichtig, als hätte er Schmerzen. Trotzdem befahl er sie nach dem Essen in die Kemenate.
Jutha hatte das erwartet und schon das Schaffell auf
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