Die Gauklerin von Kaltenberg
trocken.
»Ich werde dich nicht bewundern wie deine Bauernweiber. Mir kannst du nicht den Ritter vorspielen. Du bist nichts als ein er bärmlicher Speichellecker!« Sie wollte aufstehen.
Ulrich warf sie zurück aufs Bett. Er hob die Hand, wie um sie zu schlagen. »Du wirst mich lieben, wenn ich es dir befehle«, zischte er.
Juthaerstarrte. Sie wehrte sich nicht, aber alles in ihr war reg los und kalt. Sie dachte an die Nacht, als sie ihr Kind verloren hatte. Und er schien dasselbe zu denken. Ulrichs Lippen began nen zu zittern. »Schenk mir einen Sohn!«, stieß er hervor. Fieber haft schob er ihr Unterkleid über die Schenkel und liebkoste sie gehetzt. »Dann werde ich keinen Anlass mehr zur Sünde haben. Ich schwöre es!«
10
»Nein, ich habe Hunger«, beschwerte sich Anna. Endlich hatte ihr Raoul eine Rast zugestanden und Maimun die Haferkuchen aus packen lassen. Aber statt sie endlich essen zu lassen, nahm er die Armbrust und zog sie beiseite. Sie hatten sich unterhalb eines ver nagelten Stollens bei einer Hütte auf einer Wiese niedergelassen. Vermutlich hatte man hier früher Kupfer geschürft. Jetzt war das Flechtwerk der Wände löchrig und alles wirkte verlassen. »Wollt Ihr mit diesem Ding auf die Jagd gehen?«
»Du willst mich wohl unbedingt wegen Wilderei hängen se hen«, spottete er. »Außerdem ist Freitag.«
»Fastenzeiten sind etwas für reiche Leute«, hielt Anna dagegen. Hinter den schnippischen Worten konnte sie ihre Gefühle verber gen. Nie hätte geschehen dürfen, was in der Köhlerhütte passiert war. Es war gar nichts passiert, sagte sie sich wütend. Irgendwann war Maimun zurückgekommen, und sie war mit rotem Kopf zur Quelle gelaufen. Dass sie trotzdem ein schlechtes Gewissen hatte, bewies, dass ihr Raoul viel nähergekommen war, als sie es hätte zulassen dürfen.
Verstohlen beobachtete sie, wie er über die Armbrust gebeugt die Sehne spannte. Das lange Haar verdeckte sein Gesicht, aber sie konnte die Bewegungen seiner Schultern sehen. Eigentlich war er sehr schlank, dachte sie, als er sich erhob und die silbernen Gürtel beschläge das Licht einfingen. Es war weniger seine Körpergröße als sein selbstsicheres Auftreten, das den Leuten Furcht einflößte.
»Die Leute sagten, Ihr hättet das Stadttor von Landsberg mit schwarzer Magie geöffnet. Ist das wahr?«, fragte sie.
Sein dunkles Lachen bestätigte, was sie schon vermutet hatte. »Tölpel!«,erwiderte er abfällig. »Es war ein schwarzes Pulver, die Rezeptur eines Freundes aus Damaskus. Wenn es mit Feuer in Be rührung kommt, gibt es einen Blitz und Flammen. Mit Hexerei hat es nichts zu tun. Es hat seine Vorteile, dass ihr nicht einmal eure eigenen Gelehrten kennt. Schon Marcus Graecus beschreibt es in seinem Buch über das Feuer .«
»Ein schwarzes Pulver?«, wiederholte sie überrascht. »Falconet hat so etwas manchmal für seine Tricks benutzt. Es donnerte, und der Qualm hatte einen beißenden Geruch.«
»Roger Bacon erwähnt es als Kinderspielzeug«, bestätigte er. »Ich habe weniger kindische Erfahrungen damit. Die Mongolen verwendeten es bei ihren Belagerungen.«
Anna stieß einen halb zornigen, halb belustigten Laut aus. »Ich fange an, mich zu fragen, wer von uns der größere Gaukler ist.«
Raoul hatte den Bolzen eingelegt und reichte ihr die Waffe. Ver blüfft schüttelte sie den Kopf. »Es ist Frauen verboten, Waffen zu tragen.«
Er lachte trocken. »Immerhin kennst du die Regeln, die du brichst. Aber wenn es darauf ankommt, lässt sich niemand freiwil lig abschlachten, nicht einmal eine Frau.«
Natürlich spielte er darauf an, wie sie mit dem Stock auf die Wil den Männer losgegangen war. Seit der Nacht in der Köhlerhütte hatte sie das Gefühl, er betrachte sie mit anderen Augen. Obwohl er nicht mehr darauf zu sprechen kam, bemerkte sie, wie er sie an sah, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Doch von der unver schämten Annäherung war nichts mehr zu spüren, er berührte sie nicht mehr als nötig. Wäre es nicht so absurd gewesen, hätte sie gesagt, dass er davor zurückscheute.
»Ich bin verletzt, und Maimun ist kein Krieger. Es wäre bes ser, du könntest dir selbst helfen.« Tatsächlich war er noch bleich. Nach seinem Blutverlust war er sicher nicht kräftig genug zum Kämpfen. Aber Ulrich hätte sie selbst in dieser Lage ausgelacht, wenn sie eine Waffe berührt hätte.
»Ichzwinge dich nicht. Es ist dein Leben. Aber damit kann auch eine Gauklerin einen Ritter töten. Man braucht kaum Kraft und
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