Die Gauklerin von Kaltenberg
wölbten sich hohe Rundbögen über ihr. Es war kühl. Sie lag in einem mehrschiffigen Raum, die Wand hinter ihr war aus festem, massivem Stein. Schemenhaft erkannte sie ein hölzernes Kreuz. Sie fühlte sich so schwach, dass sie kaum die Lider heben konnte. Auf ihren trockenen Lippen klebte etwas Bitteres. Sie hustete, und es stach schmerzhaft in ihrem Rücken. Mühsam öffnete sie die Lider.
»Du bist in der Benediktinerabtei Benediktbeuern«, sagte der Deutschherr. Offenbar hatte er neben ihrem Bett gewartet. Hatte er sie hierhergebracht? Warum sollte er das tun? Wieder forschte sie vergeblich in ihrem Gedächtnis, was ihr an ihm bekannt vor kam. Auf ihrer Stirn standen Schweißtropfen. Sie hatte entsetz lichen Durst.
Er reichte ihr einen Krug Wasser, den sie gierig leerte. Dankbar gab sie das Gefäß zurück. Sie lag auf einem Strohsack, der mit sau berem Leinen bezogen war. Die Steinwände hinter ihr gaben ihr ein Gefühl der Sicherheit. Jetzt erst bemerkte sie, dass neben ihr im Bett noch eine andere Frau lag. Sie war schon älter und stierte mit glasigen Augen vor sich hin. Anna bemerkte, dass die Frau nackt war und sah erschrocken an sich herab. Sie trug noch ihr Leinenhemd, vermutlich um den Mann an ihrem Bett nicht in Versuchung zu bringen. In diesem Teil des Raums waren offenbar Frauen untergebracht, gegenüber sah sie jetzt auch Männer liegen. Ordensschwestern liefen mit hölzernen Bechern und Schüsseln hin und her, irgendwo läutete eine Glocke. Zu ihren Füßen näh ten zwei an etwas herum, aber sie sah nicht, woran. Trotzdem be ruhigte sie sich. Es war kühl, aber sauber, das Hospital eines Klos ters, kein Armenhaus.
»Bist du allein über die Berge gekommen?«
Anna war zu schwach, um genau auf das zu achten, was sie sagte. »Wo sind meine Sachen? Ich muss zum König.«
Er schwieg überrascht, dann lachte er leise. »Du wirst immer bemerkenswerter. Sie sind beim Bruder Krankenpfleger, wie die Habseligkeitender anderen armen Seelen hier. Aber wenn du einen Auftrag hast, solltest du ihn mir übergeben.«
Erst jetzt bemerkte Anna, womit die Schwestern beschäftigt waren: Sie hatten eine Tote aus dem Nachbarbett gehoben und nähten sie stumm und ernst in Tücher ein. Der Deutschherr be merkte Annas Erschrecken. Schonungslos fuhr er fort: »Du wirst die nächsten Wochen hier verbringen, und wenn du hier nicht stirbst, kannst du froh sein. Du hast Fieber, vielleicht ist auch die Lunge entzündet.«
Annas Kopf war dumpf, und sie brauchte einen Moment, bis sie die ganze Tragweite seiner Worte begriff. In der ersten Zeit auf der Straße war der Gedanke an den Tod ihr ständiger Begleiter gewe sen. Aber irgendwann hatte sie nicht mehr darüber nachgedacht. Sie hatte einfach nur gelebt, jeden Augenblick gespürt, dass sie da war. Ich will nicht sterben!, dachte sie verzweifelt.
Trotzig sah sie den Mann an ihrem Bett an. Es war ihm zu zutrauen, dass er sie ängstigen wollte, um sie zum Sprechen zu bringen. Er hatte nicht das Geringste von einem Ordensmann. Im Gegensatz zu seinem Habit war er so mitfühlend wie ein Schlacht knecht. Anna hätte ihn sich eher als Herr über eine kleine Burg vorstellen können. Als einen Mann, der bisweilen als Schöffe vor Gericht auftrat und ansonsten in den Krieg zog oder sich den üb lichen Vergnügen hingab: auf die Jagd zu gehen, Schach zu spie len und seine Frau oder ein Bauernmädchen zu schwängern.
»Verzeiht, Herr«, keuchte Anna, so ehrerbietig sie es fertig brachte. »Aber ich kann keinem namenlosen Mann meinen Auf trag übergeben, selbst wenn er das Hemd eines Ordensritters trägt.«
Die schön geschwungenen Lippen verzogen sich. »Für deinen Stand und dein Geschlecht hast du Mut. Weit mehr, als gut für dich ist. Du bist stur wie ein Maultier.«
Annas Lächeln erstarb. Forschend sah sie in sein schönes hel les Gesicht. Wider Erwarten ließ er es sich gefallen.
»Nun?«,fragte er. »Was siehst du?« Er erhob sich und ging in dem Raum auf und ab. Am Bett lehnte noch sein Schwert, offen bar hatte er es selbst hier nicht abgegeben. Seine angespannte Haltung gab ihr das ungute Gefühl, dass er ständig um seine Be herrschung kämpfte. Was mochte einen solchen Mann dazu ge bracht haben, das Gewand eines Ordensherrn anzulegen? Er warf den Kopf zurück, und für einen Moment schob sich ein anderes, dunkles Gesicht vor seine scharfen Züge. Widerwillig schüttelte sie den Kopf, aber es gelang ihr nicht, das Bild zu vertreiben.
»Du hast einen Namen genannt, als
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