Die Gauklerin von Kaltenberg
du im Fieber lagst«, wandte er sich wieder an sie. Seine Stimme klang jetzt herrisch und streng. »Was verbindet dich und Ulrich von Rohrbach?«
Er stieß den Namen voll Abscheu zwischen den Zähnen her vor. Trotzdem atmete Anna auf. Einen Augenblick hatte sie be fürchtet, in ihrem Fiebertraum Raouls Namen genannt zu haben. Die Erleichterung machte ihr Mut und gab ihr neue Kraft. »Da Ihr das wissen wollt, sollte ich Euch dieselbe Frage stellen.«
Er stieß einen Fluch aus. »Glaub nicht, dass du unverletzlich bist, weil du todkrank bist!«, fuhr er sie an. Die grauen Locken fie len ihm vorn auf die Schultern. Für einen Moment stellte sie sich vor, sie seien schwarz.
Anna verwünschte das Fieber, das ihren Kopf dumpf machte und ihren Verstand vernebelte. Sie war dankbar, als zwei Mönche einen frischen Strohsack an ihr vorbeischleppten und stehen blie ben. Einer sprach den Deutschherrn flüsternd an: »Betet Ihr mit uns die Vesper?«
Er nickte ungeduldig und wandte sich wieder an sie. »Nun?«
»Wenn Ihr mich totschlagt, erfahrt Ihr gar nichts«, keuchte sie. Der Atem rasselte in ihrer Brust, aber sie dachte nicht daran, sich von ihm einschüchtern zu lassen.
Er schien zu überlegen, ob er es darauf ankommen lassen sollte. Mit sich kämpfend lief er hin und her wie die abgerichteten Bären, die man auf Jahrmärkten oder bei Hochzeiten sah. Endlich blieb ermit dem Rücken zu ihr stehen. Schatten warfen dunklere Stellen auf sein Haar.
Ruckartig drehte er sich zu ihr um. »Also gut.«
Anna schrak zusammen. Atemlos krallte sie die Finger in das Laken und starrte ihn ungläubig an. Seine Augen waren hell, aber ihr Blick glich einem anderen, schwarzen Augenpaar zum Ver wechseln. Ein Fieberschauer überlief sie. Langsam richtete sie sich auf. Sie wusste, wer der Mann in ihrer Zelle war, noch ehe er ihre Frage beantwortete:
»Meine Burg Kaltenberg ist das Sühnepfand, das ich für mein Leben zahlte. Ulrich von Rohrbach hasst mich bis aufs Blut, zwi schen unseren Familien herrscht eine jahrzehntealte Fehde. Mein Name ist Konrad von Haldenberg.«
3
Anna starrte den Deutschherrn an. Konrad von Haldenberg – Raoul hatte ihr diesen Namen als den seines Vaters genannt. Jetzt, da sie es wusste, war es nicht zu übersehen. Dieselben eindring lichen Augen, auch wenn die des Sohnes dunkel waren. Dieselbe Art, den Kopf zu halten. Obwohl Raoul und er rein äußerlich nicht viel gemein hatten, war die Ähnlichkeit jetzt so auffällig, dass es ihr den Atem verschlug.
Ein neuer Husten schüttelte sie. Anna bekam keine Luft mehr. Panik ergriff sie, in wütender Verzweiflung kämpfte sie gegen die Schwäche an. Sie wollte nicht sterben, nicht jetzt! Keuchend klam merte sie sich an die Nonne, die sofort herübergekommen war. Dann war der Anfall vorbei. Zu Tode erschöpft sank sie zurück. Aus halbgeschlossenen Augen sah sie, wie die Nonne dem Deutsch herrn einen strafenden Blick zuwarf.
»Die Familien der Rohrbacher und Haldenberger sind verschwä gert«, begann Konrad, als die Schwester sich wieder entfernt hatte. »Alles fing vor mehr als zwanzig Jahren an. Die Mutter meines Vetters Winhart von Rohrbach starb, und ihr Besitz fiel an meine Familie zurück. Aber Winhart beanspruchte das Erbe für sich. Als wir es ihm nicht gaben …«
Er unterbrach sich und vergewisserte sich, dass niemand lauschte. »Das Vermögen konnte er nicht bekommen«, stieß er hervor. Nach all den Jahren lag noch immer Hass in seiner Stimme, und die Ähnlichkeit mit Raoul war nun fast erschreckend. »Statt dessen nahm er meiner Schwester die Ehre.«
Anna klammerte die Hand in den Strohsack. Eine solche Tat musste eine Familienfehde heraufbeschwören. Sie fragte sich, warumKonrad ihr davon erzählte. Vielleicht hatte er die Geschichte so lange mit sich herumgetragen, dass es ihn erleichterte, endlich darüber zu sprechen. Und ein Mädchen, das ohnehin sterben würde, war für ihn so gut wie ein Priester im Beichtstuhl.
»Meine Schwester bekam nicht einmal ein christliches Be gräbnis«, stieß Konrad hervor. Er vermied es, das Verbrechen des Selbstmords beim Namen zu nennen, aber auch so spürte sie seine Trauer. Anna wusste, wie es war, einen geliebten Menschen zu verlieren. Martin hatte sie wenigstens ehrlich bestatten können, aber bei Falconet hatte sie auf diesen Trost verzichten müssen. Gauklern stand kein christliches Grab zu. Steffen und sie hatten ihn im Wald begraben. Sie hätte es nicht ausgehalten, dass man ihn auf dem Schindanger
Weitere Kostenlose Bücher