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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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Hände ineinander verschränkt. Maimuns duftende Kräuterbüschel hatten über ihnen geschwankt, ihre nackte Haut sich tief in die Felle und auf die abgeknickten Blumen gedrückt. Noch heute Morgen waren ihre Lippen von seinen Küssen gerötet.
    »Dann hoffen wir mal, dass er sich von Ulrich nicht aufspießen lässt«, meinte Eva. »Komm, die Morgenmesse muss vorbei sein.«
    Drei Tage waren für das Turnier vorgesehen. Die Kirche beäugte das liebste Vergnügen des Adels zwar mit Misstrauen. Allerdings konnte man eher einen Wolf zum Pflanzenfresser machen als einem Ritter das Turnieren verbieten. Gestern Abend war der Bischof von Freising angereist. Der Sendlinger, in dessen Adern abenteuerlustiges Patrizierblut floss, stand auf dem Standpunkt: Menschen waren sterblich und fehlbar. Also hatte er selbst die Morgenmesse für die Kämpfer zelebriert – und sich einen guten Platz auf der Tribüne gesichert.
    Als die Ritter aus der Burgkapelle traten und ihre Pferde bestie gen, war es unter Kettenhemd und Plattenrock schon jetzt warm. Den Helm hatte Raoul nicht aufgesetzt, sondern ließ den Wind durch seine schwarzen Locken streichen.
    Ulrich hob ein wenig das Visier – nur so weit, dass seine vollen Lippen zu erkennen waren. Der schwarzweiß gezackte Waffen rock mit der Hopfenrebe war Raoul schon in der Kapelle aufgefal len. »Ihr könnt von Glück sagen, dass ich den Makel Eurer Geburt verschwiegen habe, Bastard«, höhnte er. »Wäre es nicht interes santer vor den Augen des Königs, würde ich Euch mit dem Knüp pel erschlagen wie einen Hund.«
    »Wir entscheiden es hier«, presste Raoul hervor. Es gelang ihm nurmühsam, seinen Hass zu unterdrücken. »Wenn ich siege, wird niemand mehr sagen, dass ich verflucht bin. Ich behaupte meinen Anspruch auf Kaltenberg, Ulrich: mit meinem Leben.«
    Die riesigen feurigen Tiere schienen zu spüren, was im Gange war – unter den langen Decken in den Farben ihrer Herren schnaubten und stampften sie unruhig. Auf dem Weg zum Tur nierplatz überbrüllten sich Gaukler gegenseitig, um die Vorzüge ihrer Dienstherren hervorzuheben. Wenn man ihnen Glauben schenkte, hatte jeder Ritter schon Dutzende Heiden erschlagen und war gefürchtet auf den Turnierplätzen von London, Paris und wahrscheinlich selbst Jerusalem. Durch Kleinhändler mit Ritter figuren und Holzschwertern bahnten sie sich ihren Weg. Schon jetzt hatten die Knappen Mühe, sich mit den Wappenschilden und Helmen ihrer Herren zur Reitbahn vorzudrängen. Dort boten Wappenmaler ihre Dienste an: Noch einmal einen abgesplitterten Adlerflügel oder die Fischschuppen auffrischen? »Ich male mit den besten Farben, aus Italien!«, brüllte einer und hängte sich an Ra ouls Bein.
    Knechte hielten die bemalten Schilde ihrer Herren hoch, als sie auf den Platz ritten. Ihnen voran kam der Turniervogt, gefolgt von mehreren Männern mit langen Stangen – den Grieswärtel, die notfalls zwei Ritter trennen mussten. Gut möglich, dachte Raoul, dass sie nachher zu tun bekamen.
    Gelassen und offenbar an Streitereien gewöhnt, wartete der Turniervogt, bis alle ihre bissigen Hengste beruhigt hatten. Raoul kannte ihn nicht, vermutlich hatte der König ihn mitgebracht: ein drahtiger junger Mann in elegantem Weißblau, der eine natürliche Sicherheit ausstrahlte. Seine klare Stimme tat ein Übriges, um ihm die Aufmerksamkeit aller zu verschaffen.
    Entschlossen, sich nicht mehr von Ulrich reizen zu lassen, sah sich Raoul um. Auf der hölzernen Plattform für die Spielleute herrschte schon wildes Gedränge. Flöten spielten, begleitet von zirpenden Harfen, die man zwischen dem Wiehern, Stampfen und Schreienkaum hörte, und falsch klingenden Tamburinen. Anna war noch nicht dort. Als er heute Morgen neben ihr aufgewacht war, hatte er verzaubert ihr goldglänzendes Haar durch die Finger gleiten lassen. Und als sie die Lider aufgeschlagen und ihn angesehen hatte, hatte er gewusst, dass sein ruheloses Leben hier ein Ziel gefunden hatte.
    Oberhalb des Platzes für die Spielleute hatte man für den Kö nig, dessen Gefolge und die Damen eine hölzerne Tribüne auf gestellt. Fahnen in Blau und Silberweiß wehten im Wind. Auch die Wimpel trugen Ludwigs Farben, und etwas unauffälliger das Schwarzweiß der Rohrbacher. Allmählich füllte sich die Tribüne. Zur Rechten drängten sich die Männer, während sich links die Da men auf die Schuhe traten. In Raouls Augen wirkte alles drangvoll eng, manche Herren konnten sich nur mit beherzten Rippenstö ßen Luft

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