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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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noch ehe er rich tig zum Tor hinaus war, daran hatte sie keinen Zweifel gelassen. Und eine Frau, das behauptete wenigstens ihr Vater, überlebte nicht lange auf der Straße.
    Ohne sich darum zu scheren, dass der fremde Ritter Anna suchte, schickte die Burgherrin sie zur Mühle, um das bestellte Mehl abzuholen. Es war ein gutes Stück die Paar abwärts, und immer wieder sah sich Anna besorgt nach dem schwarzen Pferd um. Sie war froh, endlich im Schutz des vorspringenden Dachs zu stehen. Wie immer traf sich die halbe Burgsiedlung dort, auch aus den Nachbardörfern kamen die Leute.
    Bei ihrem Anblick verstummten die Gespräche. Der Müller schüttete seinen Roggen in den Trichter, ohne sie zu begrüßen. Nur das rhythmische Klappern des Mühlrads durchbrach die Stille, und sie spürte die Blicke wie Wespenstiche. Eigentlich hat ten die Frauen andere Sorgen als Klatsch: Ihre Männer waren tot oder davongelaufen, ihnen blieben nur die Bankerte und Haut krankheiten der Plünderer. Eine meinte sogar verständnisvoll , ge gen die Liebe sei kein Kraut gewachsen. Aber die Männer grins ten und begafften Anna wie eine Kuh, die zum Verkauf stand. Und die alte Allgeierin zischte, man solle sie verbrennen. Anna hatte das Gefühl, sie hätte es ihr weniger übelgenommen, wenn sie den Burgherrn umgebracht hätte, als dass sie ihm ihre Unschuld ge schenkt hatte.
    Den ganzen Rückweg überlegte sie fieberhaft, was sie tun sollte. Dieletzten Tage war sie einfach nur froh gewesen, bei Ulrich zu sein, und hatte den Gedanken an die Zukunft weit von sich ge schoben. Aber Martin hatte sie gewarnt: Niemand würde schlecht über den Herrn reden, an ihr würde alles hängenbleiben. Sie musste dringend zur Beichte. Es würde der Herrin schwerer fal len, sie für eine Sünde hinauszuwerfen, die ein Geistlicher bereits vergeben hatte.
    Jutha war nicht zu sehen, als sie in den Hof trat. Anna brachte das Mehl in die Küche und lief zur Kapelle, die sich hoch über dem Burggraben an die Mauer schmiegte. Es kostete sie Überwindung, aber dann gestand sie alles Vater Maurus. Der Burgkaplan war nachsichtiger als Paulus, der Dorfpfarrer – Paulus hätte ihr keine Absolution erteilt, und das hätte alles nur noch schlimmer ge macht. Trotzdem konnte sie nicht bereuen, Ulrich zu lieben. Selbst wenn es sie das Seelenheil kostete.
    »Ich weiß, dass es Sünde ist«, schloss sie ihre Beichte. »Aber ich habe keine Wahl. Ich liebe ihn. Und ich habe doch nur noch ihn.« Ihre Knie schmerzten auf der harten Kirchenbank. Erkalteter Weihrauch hing in der Luft, und sie fror.
    Vater Maurus’ hageres Priesterantlitz blieb überraschend mild. Er las ihr zwar die Leviten, gab aber schließlich resigniert zu, dass ihre Sünde nur allzu verbreitet war. Eine Frau brauchte einen Be schützer, das wusste er genauso gut wie jedermann. So ließ er sie zur Buße mit Anrufungen der heiligen Afra – der Schutzpatronin reuiger Freudenmädchen – davonkommen.
    Als Anna sich von den Knien erhob, fühlte sie sich unendlich befreit. Es tat gut, endlich mit jemand darüber sprechen zu kön nen. »Vater«, sagte sie, als sie schon in der Tür stand. »Mein Bruder starb ohne Absolution. Glaubt Ihr, dass Gott ihm vergibt?«
    Maurus, der schon wieder vor dem Altar seine Blumen richtete, blickte auf. »Das Letzte, was er auf dieser Welt tat, war, dein Le ben zu retten. Gott wird die Liebe höher rechnen als seine weni gen Sünden.«
    Annanickte. Doch sie lief noch einmal zurück und küsste seine Hand. Als sie aufstand, hatte sie Tränen in den Augen, aber sie lächelte.
    Sie wusste, dass sie sich in Zukunft besser von Ulrich fernhal ten sollte. Als sie ihm jedoch auf dem Hof begegnete, streichelte er im Vorbeigehen ihre Finger und flüsterte: »Komm zu mir, nach der Komplet!«
    Die heilige Afra hätte der Versuchung widerstanden, aber Anna war keine Heilige. Sie vergaß ihre Sorgen, als Ulrich sie im Ritter saal mit wilden Küssen bedeckte.
    »Im Winter gehe ich nach München«, bestätigte er ihre Be fürchtung, als sie später nebeneinander auf dem Bärenfell lagen. Er blickte auf den gewebten Wandteppich, der eine glanzvolle Jagdszene zeigte. »Wenn die Zeiten besser sind, wird König Lud wig auch wieder Turniere ausrichten. Dann kann ich ihm zeigen, wozu ich fähig bin. Es heißt, er hat aus dem kleinen Städtchen eine richtige Residenz gemacht.«
    »Davon hast du mir nichts gesagt.« Anna bemühte sich, ihn ihre Enttäuschung nicht spüren zu lassen. Sie hatte es so genossen, bei

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