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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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nur aus Rachen- und Kehllauten zu bestehen. Anna dachte an das, was sie ihm ins Gesicht ge schrienhatte. Wenn Raoul sie wiedererkannte, würde er sie töten. Sie musste sofort zu Ulrich.
    Hastig suchte Anna ihre Kleider zusammen. Sie zerrte so fahrig an den Bändern, dass sie beinahe rissen. Mit einer Verwünschung bemerkte sie einen Fleck auf ihrem Hemd. Doch sie besaß nur das eine, und Waschtag war erst nächste Woche. Unbehaglich trat sie von einem Bein auf das andere. Ihre Blase drückte, aber um zu dem einzigen Abort der Burg zu gelangen, musste sie an dem Fremden vorbei über den Hof.
    Entschlossen griff sie nach ihrem Tuch und lief zur Tür. Wäh rend sie ihr Haar darunter verbarg, starrte sie hasserfüllt die steile, wurmstichige Stiege hinab. Sie würde nicht abwarten, bis Raoul ihr die Kehle durchschnitt. Ulrich beschützte sie, und der Fremde würde für das büßen, was er getan hatte.
    Stallgeruch verriet, dass Gertraut hinter sie trat. »Sei froh, dass du hier bist.« Auf einmal klang so etwas wie Mitgefühl in ihrer Stimme. »Der Burgfriede verbietet selbst Todfeinden jeden Streit. Das bedeutet, du bist vor ihm sicher.« Sie machte eine Pause, dann vollendete sie: »Zumindest, solange du ihm nicht außerhalb der Mauern begegnest.«

7
    »Du hättest gleich zu mir kommen sollen. So eine Schramme ent zündet sich schnell bei der Arbeit mit Pferden.« Maimun, Raouls Diener, packte den Arm seines Patienten fester. Der Reitknecht des Burgherrn, der am Morgen den Unfall gehabt hatte, saß auf einem Fass im Pferdestall. Er hatte den einen Ärmel hochgekrem pelt und hielt sichtlich besorgt nach Raoul Ausschau, der aller dings nirgendwo zu sehen war. Der Bursche hatte Arme wie ein Bär, dachte Maimun, als er die Verletzung betrachtete. Die Stände der Pferde nahmen die linke Seite ein, und sie hatten rechts in der breiten Gasse Platz gefunden. Es roch nach Tieren, Leder und Fett. Doch wo sonst gefüttert, getränkt oder gesattelt wurde, war es jetzt erstaunlich ruhig, worüber Maimun angesichts der drang vollen Enge auf der Burg nicht böse war. Die Knechte mieden sie offenbar.
    »Womit hast du denn die Wunde behandelt?«, fragte er, wäh rend er die geschwollene Stelle vorsichtig mit Wein betupfte. Salz wasser wäre besser gewesen, doch Salz war hier offenbar eine seltene Kostbarkeit. Der Koch hatte sich geweigert, auch nur ein Körnchen herauszugeben.
    »Kuahsoach«, antwortete der Reitknecht in seinem breiten Dialekt. Er zuckte zusammen, als es brannte. Maimun sah ihn ver ständnislos an, und er übersetzte: »Kuhpisse!«
    Angeekelt verzog Maimun das Gesicht. Im Dunkel des Stalls war Raoul lautlos herangekommen und lehnte sich an die Bretterwand.
    »Der Spielmann und die neue Magd haben die Wunde versorgt«, erklärte der Knecht, der mit dem Rücken zu dem Ritter saß undihn nicht bemerkt hatte. Er leckte sich die Lippen. Seine Scheu begann zu schwinden, und er wurde gesprächig: »Anna, die Rothaarige – ein sauberer Has! Leider gehört sie dem Herrn Ulrich. Wenn du ein Weibsbild willst, halt dich lieber an die Rosa. Widerspenstig, aber ein bisserl Gewalt macht eine Bauernmagd erst richtig heiß.«
    Maimun bemerkte Raouls Überraschung, als der Knecht das Mädchen und den Burgherrn erwähnte. Er wusste, was die Leute über den Fluch redeten, aber das Gesicht des Ritters verriet nicht, was er mit ihr vorhatte. Obwohl sie sich lange kannten, verstand Maimun ihn noch immer nicht. Mehr als einmal hatte er sich durch seine unbeherrschte Art in Schwierigkeiten gebracht. Dann wieder war er so kalt, als wüsste er nicht einmal, wie es sich an fühlte, zu lieben oder selbst zu hassen. Maimun verteilte Ringel blumensalbe auf den geröteten Wundrändern. Der unangenehm riechende Ausfluss war versiegt.
    »Das ist Zauberei!«, staunte der Knecht.
    Maimun lachte und wickelte noch einen Streifen sauberen Ver band um den Arm. »Nichts, was dein Gott nicht hätte wachsen lassen.«
    »Nix für ungut.« Das war offenbar eine Entschuldigung. Der Mann zog seinen schmutzigen Ärmel über den Verband. »Man hört viel, von Ketzerei. Die Geschicht’ mit den Templern vor ein paar Jahr’ …«
    »Sie wurden enteignet und auf Scheiterhaufen verbrannt«, be stätigte Raouls tiefe Stimme, und der Knecht fuhr herum. »Man sagt, sie hätten in Sodomie und Laster gelebt und auf das Kreuz gespuckt. Aber es sollen sich überall noch versprengte Templer herumtreiben: Satansdiener, Alchimisten mit magischen Kräf ten.«
    Der Knecht

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