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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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schickte, um Verstärkung zu holen. Die andern beäugten sie ver stohlen. Der eine oder andere würde heute Nacht lebhafte Träume haben, dachte sie belustigt. Aber auf der Straße hatte sie es sich ab gewöhnt, mit Männern Mitleid zu haben.
    »Als Novize kannte ich einen Burschen, der so geschrieben hat«, meinte der Alte, als er sich grunzend über das Blatt beugte und einen Schleimtropfen aus seiner Nase darauffallen ließ. »Hatte einen Heidenhass auf alles Neuartige, nannte es des Teufels. Des halb schrieb er wohl auch diese altertümliche Minuskeln. Hatte er als junger Subdiakon gelernt, prahlte er. Damals hatte er Lieder von fahrenden Klerikern und Vaganten gesammelt, für einen er lauchten Auftraggeber. Weiß aber nicht mehr, für wen.«
    »Lebt er noch?«, fragte Anna atemlos. »Wie lange ist das her?«
    Er zuckte die Achseln. »Zwanzig Jahre. Oder vierzig. Geboren war er irgendwo in Südtirol, sprach Bairisch mit einem Akzent.«
    Zwei kräftige Laienbrüder erschienen in der Tür, und Anna be griff, dass sie verschwinden musste. Sie bedankte sich und wollte aufstehen.
    »He, meine Salbe!«
    »Oh, ja.« Sie nestelte an ihrem Gürtel und gab ihm einen Tiegel von der Jungfräulichkeitssalbe. Mit etwas Glück würde sie auch gegendas Rheuma wirken. Widerwillig schob sie die Laienbrüder weg, die sie packen wollten, und ging selbst zur Tür.
    »Neugierde ist der Grund für den allerersten Sündenfall«, schimpfte ihr der Bibliothekar hinterher. »Hätte Gott gewollt, dass Frauen das große Wort führen, hätte er sie nicht aus Adams Rippe geschaffen. Das, wonach du fragst, hat sicher kein Mann von Ehre aufschreiben lassen.«
    »He«, kicherte der mit der besudelten Kutte und schnüffelte an der Salbe, »dann vielleicht ja eine Frau!«
    Anna hatte nicht so viel erfahren, wie sie gehofft hatte, aber jetzt im Winter konnte sie nicht viel unternehmen. Sie musste auf den Frühling warten. Sobald die ersten Krokusse ihre Blüten aus dem Schnee steckten, hörte sie sich in der Stadt und den Gästehäusern der Klöster nach Reisenden um, die vielleicht den Spielmann mit dem Ketzerlied kannten. Aber überall bekam sie dieselbe Antwort zu hören wie im Stift St. Veit:
    »Wir haben nur wenige Gäste«, seufzte der Laiendiener, den sie fragte. »Ich kann dir nicht einmal sagen, ob wir schon einen neuen Papst haben. Die wohlhabenden Salzhändler reisen schon lange nicht mehr über Freising, sondern nehmen die Zollbrücke von München. Aber komm in ein paar Tagen wieder«, riet er, als er ihre Enttäuschung bemerkte. »Der König reist nach Nürnberg, wenn du Glück hast, rastet er hier eine Nacht. In seinem Gefolge gibt es vielleicht Leute, die so etwas wissen.«
    Müde und enttäuscht ging sie den kurzen Weg zurück zum Domberg. Es wurde schon dunkel, und sie machte Platz, um einen gutgekleideten Reiter vorbeizulassen. Auf einmal zügelte er sein Pferd. Anna sah zu ihm auf.
    Sie war so überrascht, dass sie ihn einfach nur anstarrte. Ihre Lippen begannen zu zittern, aber sie brachte keinen Ton heraus. Auch der Reiter schien seinen Augen nicht zu trauen – diesen un durchschaubaren Augen, die sie so liebte. Es war Ulrich.

4
    Die Herberge, die sich außen an die Stadtmauer drückte, hieß »Zur wilden Rose«, aber Anna scherte sich nicht um den anzüg lichen Namen. Sie wäre Ulrich selbst in die Hölle gefolgt. Die Kam mer im ersten Stock war nur ein Verschlag, mit einem winzigen Fenster, dessen wurmstichiger Laden geschlossen waren. Einzi ges Möbel war das grobgezimmerte Bett. Ulrich drängte sie über die Schwelle. Mit hastigen Fingern streifte sie ihm die Kleider ab, dann warf er sie auf das Lager.
    Das Gestell unter der Strohmatratze knarrte. Sicher gab es jede Menge Ungeziefer darin, aber Anna war es gleichgültig. Tausend Mal hatte sie von diesem Augenblick geträumt. Dafür hatte sie Kälte und Hunger ertragen, dafür hatte sie gekämpft und ihren Stolz aufgegeben. Ulrich nahm sie gierig, ohne ihren suchenden Lippen zu begegnen. Sie warf den Kopf zurück und überließ sich dem Gefühl, wieder in seinen Armen zu liegen. Es war das Ein zige, was zählte. Das Bett ächzte, dass es durch die dünnen Wände dringen musste, aber Anna hätte sich nicht einmal darum geküm mert, wenn der König selbst vor der Tür gestanden hätte.
    »Zum Teufel mit dir!«, keuchte Ulrich endlich. Er ließ sich ne ben sie fallen und zog das fleckige Laken über sich. »Du hättest den strengsten Asketen verführt!«
    Mit einem leisen

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