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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Mutter verrieten, dass sie schlief, dann nahm sie den Zettel zur Hand.
    Liebste Agnes!
    Ich hoffe, dass Mutter diese Zeilen nicht sieht, denn ich will sie nicht unnötig ängstigen. Daher vernichte den Zettel, wenn du ihn gelesen hast. Matthes kämpft in Ferdinands Hauptarmee, bei seinen Leichten Reitern, und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich mit Weimars Regiment auf ihn treffen werde. Das Furchtbarste aber ist: Ich habe ihm letzten März, nach Wallensteins Tod, ein Billett von Regensburg nach Pilsen überbringen lassen, da ich wusste, dass sich dort alle verbliebenen Truppen sammeln würden. Habe ihn darin angefleht, den Kriegsdienst aufzugeben, bevor er noch mehr Schuld auf sich lädt. Seine Antwort kam umgehend: Mit mir wolle er nichts mehr zu tun haben. Ich hätte unsere Mutter verraten und allein gelassen. In offener Schlacht würde er mich ohne Zögern erschlagen. Meine Güte, Agnes, unser Bruder scheint mir nicht ganz bei Sinnen. Ich fürchte, seine Seele ist nicht mehr zu retten!
    Bitte, Agnes, gib auf unsere Mutter Acht! Gott schütze dich,
    dein Bruder Jakob.

23
    «Wie sich das Blatt doch wenden kann.»
    De Parada lächelte, doch sein Blick blieb dunkel, wie immer, wenn er über den Krieg sprach. Er nahm seinen Krug und trank ihn in einem Zug leer.
    Auch Matthes konnte über die Einnahme von Donauwörth keinen Triumph empfinden. Sie saßen in einem Wirtshaus nahe der Stadtkommandatur und versoffen ihren Sturmsold. In den düsteren Winkeln der niedrigen, holzvertäfelten Schankstube standen die Essenschwaden, und vom Nebentisch zog der Qualm des neumodischen Tabakkrauts herüber.
    Dabei hatte es zunächst ausgesehen, als stünde Fortuna auf Seiten der Schweden, als die in einem Aufsehen erregenden Sturm auf Landshut nahezu die gesamte bayerische Reiterei vernichtet hatten. Dass dabei Feldmarschall Aldringen im Kugelhagel umgekommen war, berührte Matthes noch im geringsten. Es hieß sogar, seine eigenen Kroaten hätten ihn erschossen. Trotz dieser Niederlage hatte sich der König von Ungarn nicht von seinem Kurs abbringen lassen, die Verbindungs- und Versorgungslinien der Schweden entlang der Donau und im Schwäbischen zu durchbrechen. Nur zwei Tage nach der Niederlage von Landshut gelang es ihm, erst Regensburg einzunehmen und jetzt die schwedisch besetzte einstige Reichsstadt Donauwörth. Weimar und Horn waren ihnen wutschnaubend auf den Fersen, aber genau dies hatte König Ferdinand beabsichtigt: Er suchte die Entscheidungsschlacht. Er musste nur noch die Ankunft des mächtigen spanischen Heeres abwarten, das vom Schwarzwald her im Anmarsch war.
    «Wenn nun die Schweden angreifen, bevor der Kardinalinfant uns erreicht hat?», fragte Matthes.
    De Parada schüttelte den Kopf. «Bis Horn und Weimar mit ihren abgerissenen Truppen hier sind, haben wir uns längst drüben bei Nördlingen verschanzt.»
    «Aber in Nördlingen sitzt eine schwedische Garnison ein.»
    «Die soll ja eben ausgehungert werden. Wenn Nördlingen auch noch fällt, bricht die gesamte schwedische Versorgung zusammen wie ein Kartenhaus. Und angreifen werden die Schwedischen uns bei Nördlingen kaum. Bei dem hügel- und waldreichen Gelände dort wäre das Selbstmord.»
    Matthes musste zugeben, der Schachzug des jungen Königs war klug bedacht. Überhaupt schien alle Welt Ferdinand unterschätzt zu haben: Nicht nur den schönen Künsten war er zugeneigt; auch in der Kriegführung hatte er bislang eine geschickte Hand bewiesen. Dabei war ihm ganz offensichtlich am rigorosen Katholizismus seines Vaters wenig gelegen, was Matthes einen Funken Hoffnung für die Zukunft gab – falls der junge Ferdinand denn jemals die Kaiserkrone übernehmen würde.
    Matthes hob die Hand und winkte das Schankmädchen heran.
    «Noch zwei Krüge. Aber diesmal weniger knauserig eingeschenkt.»
    Das Mädchen grinste: «Sehr wohl, Herr General.»
    De Parada winkte ab. «Für mich nichts mehr. Dorothea wartet sicher schon, und ich muss zuvor noch beim Generalwachtmeister vorbei. Bis morgen früh also.»
    Er klopfte ihm auf die Schulter und schlenderte mit der ihm eigenen Ruhe hinaus. Matthes sah ihm nach. Der Rittmeister hatte sein Quartier im Baudrexlhaus aufgeschlagen, einem stattlichen Fachwerkhaus gleich am Rathausplatz, während er selbst bei seiner Kompanie am Fuße des Schellenberg, vor den Toren der Stadt, lagerte. Unter dem neuen Oberbefehlshaber herrschte eine weitaus striktere Hierarchie als unter Wallenstein – ob dies an den Generälen oder am

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