Die Gauklerin
den Rock in die Höhe.
«He! Was soll das?»
Die Alte deutete auf das Wasser, dann auf Agnes’ Unterleib. «Sauber. Für Obrist.»
Da fiel es Agnes wie Schuppen von den Augen. Sie sollte zur Hure des Anführers gemacht werden.
Eine Stunde später waren sie unterwegs in Richtung Mittag. Das Städtchen hinter ihnen verschwand im Dunst.
Zum Marschieren hatte man ihnen die Fußfesseln gelöst, dafür waren nun ihre Hände an den Sattelknauf zweier Packpferde gebunden. Agnes gelang es nur mit Mühe, im Gleichschrittneben ihrem Pferd herzulaufen. Schon nach einer Viertelmeile geriet sie ins Straucheln und wurde der Länge nach über den staubigen Feldweg geschleift. Zu ihrem Glück blieb das gutmütige Tier nach wenigen Tritten von selbst stehen. Ein unsanfter Schlag mit einem Gewehrkolben trieb sie schnell wieder in die Höhe.
«Trampelige Metze! Das nächste Mal jag ich das Pferd in Galopp.» Der Bursche des Offiziers, der als einer der wenigen Deutschen im Tross zu ihrer Bewachung abgestellt war, lenkte sein Pferd dicht neben sie. Wie alle Männer hier war er bewaffnet. Agnes musste beinahe lachen. Wenigstens würde niemand wagen, sie anzugreifen.
«Was grinst du so blöd?» Ärgerlich verzog der Bursche sein rotes, aufgedunsenes Gesicht.
«Ich dachte nur daran, wie ich mich vor einer Stunde gewaschen habe und dass das völlig umsonst war.»
Jetzt lachte sie tatsächlich laut auf.
«Das Lachen wird dir noch vergehen.»
«Verzeiht.» Sie biss sich auf die Lippen. Ihr war eher nach Heulen zumute. «Bitte sagt mir: Wohin marschieren wir?»
«Geht dich einen Kehricht an.»
«Und die Stadt vorhin? Was war das für eine Stadt?»
«Halt’s Maul und lauf weiter.»
Da drehte sich Andres, der vor ihr marschierte, zu ihr um. «Das war Geislingen. Von dort führt eine Handelsstraße bis nach Stuttgart.» In seinen Augen standen Tränen. «Hätte ich nur besser auf uns Acht gegeben.»
Ohne Rast ging es bis zur Abenddämmerung weiter. Auf einer Viehweide schlugen sie das Nachtlager auf – der deutsche Offizier in einem halb verfallenen Unterstand, die anderen unter freiem Himmel. Ihr Bewacher brachte Agnes zu seinem Herrn.
«Bind ihr die Hände los», befahl der, «und leg die Fußfesseln an. Aber so, dass sie in kleinen Schritten gehen kann.»
«Keine Fesseln», bat Agnes. «Ich schwöre Euch, dass ich nicht weglaufe.»
«Und das soll ich dir glauben?»
«Ich schwöre es bei meiner Seele.»
Er zögerte, dann gab er seinem Burschen einen Wink, zu verschwinden.
«Gut. Wenn du wegläufst, erschlag ich eigenhändig deinen Bruder. Er ist doch dein Bruder?»
Agnes rieb sich die brennenden Handgelenke. «Ja, Andres ist mein Bruder.»
«Und wie heißt du?»
«Agnes. Agnes Marxin. Und Ihr?»
Sein bärtiges Gesicht verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. «Gestatten: Rittmeister von Steinhagen. Du bist eine bemerkenswerte Frau. Angst scheinst du nicht zu kennen.»
Agnes gab keine Antwort. Nein, es war nicht Angst, was sie erfüllte, eher Ekel vor dem, was in den nächsten Stunden folgen würde. Doch sie würde sich nicht wehren, denn sie hatte nur noch ein einziges Ziel: mit dem Leben davonzukommen.
«Wie lange – wie lange wollt Ihr uns gefangen halten?»
«Kommt darauf an, wie ihr euch anstellt, du und dein Bruder.»
«Wobei?»
«Als Knecht und Magd. Dein Andres ist ein bärenstarker Kerl, von dieser Sorte bräuchte ich mehr – hättest sehen sollen, wie der sich gewehrt hat. Und du wirst mir die Haushaltung führen. Den Fraß der Trossweiber hab ich nämlich satt. Ab morgen kochst du für mich und meine Freunde.»
«Das ist meine Aufgabe?»
«Und nachts bist du meine Frau.»
Agnes holte Luft. «Ich flehe Euch an: Lasst uns gehen. Ich habe in Stuttgart einen Sohn und eine todkranke Mutter. Ich muss zu ihnen.»
«Nein, du bleibst. Und jetzt geh zu den andern Weibern, Wasser und Feuerholz holen.»
Bis zum Nachtmahl schleppte sie Holz und Wasser, hackte Rüben, häutete Ratten und Wildkaninchen. Der Hunger quälte sie inzwischen mehr als der Gedanke an die bevorstehende Nacht. Andres sah sie nur von weitem, sein Gesicht war finster, und er ging gebückt wie unter einer schweren Last.
«Schnell, schnell, rapido.»
Ein junges Mädchen stieß sie grob in die Seite, als sie beim Wasseraufgießen innehielt. Die Frauen und Kinder im Tross behandelten sie wie eine Aussätzige, doch das störte sie weniger. Viel widerwärtiger waren die Blicke und Pfiffe der Soldaten. Einige von ihnen erdreisteten
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