Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
sich gar, im Vorbeigehen nach ihrem Hintern oder ihren Brüsten zu fassen.
    Endlich trommelte einer der Männer zum Essen. Aus den Kesseln roch es verführerisch nach Gemüse und Fleisch. Ihr wurde ein Platz neben dem alten Weib, das noch immer ihre Mütze trug, zugewiesen, weit weg von Andres und weit weg von Rittmeister Steinhagen. Der hatte sie bisher noch keines Blickes gewürdigt.
    Sie musste warten, bis die Alte sich satt gegessen hatte, dann erhielt sie deren Napf. Als sie sich damit an das Dreigestänge stellte, schöpfte ihr die Kochmagd nur Brühe mit Rübenstücken.
    «Fleisch», forderte Agnes. Die Frau grinste und schüttelte den Kopf.
    «Elende Metze», entfuhr es Agnes. Da goss ihr die Frau von der kochend heißen Brühe über den Arm. Agnes schrie auf und ließ den Napf fallen.
    «Kruzitürken!» Der Rittmeister war mit einem Satz auf den Beinen. «Was ist das für ein Gezänk?»
    Agnes zeigte ihren Unterarm. Auf der blassen Haut zeichnete sich ein purpurroter Fleck ab.
    «Sie wollte mir kein Fleisch schöpfen.»
    Steinhagen verpasste der Kochmagd eine Maulschelle, dann hob er den Napf auf und füllte ihn dick mit Gemüse und Fleischbrocken.
    «Iss dich satt. Du wirst Hunger haben.»
    Er kehrte zu seinen Freunden zurück, die unterdessen ein Fässchen Branntwein angestochen hatten. Dann winkte er Andres herbei.
    «Los, spiel für uns auf deiner Fidel.»
    Andres schüttelte den Kopf.
    «Wird’s bald?»
    Sei nicht dumm, flehte Agnes innerlich. Tu, was er sagt. Doch Steinhagen hatte sich bereits vor Andres aufgebaut, bedrohlich nah. Sie waren beide gleichermaßen groß und kräftig. Wie zwei Hengste im Wettstreit um ihre Herde belauerten sie sich, Auge in Auge, jeder Muskel angespannt. Doch Andres würde nicht kämpfen können, denn seine Fußgelenke waren gefesselt.
    «Spielst du also?»
    Wieder schüttelte Andres den Kopf. Steinhagen ballte die Faust. Für einen Moment sah es so aus, als wolle er seinen Herausforderer niederschlagen. Stattdessen rief er seinen Burschen heran.
    «Binde ihn an den Baum dort. Er wird die Nacht im Stehen verbringen. Vielleicht hat er dann morgen mehr Lust, für uns zu spielen.»
    Wenig später durchdrang lauter Gesang die Einsamkeit der Hochebene, der bald in Grölen überging. Agnes bat Steinhagen, schlafen gehen zu dürfen.
    Er nickte. «Nimm die Lampe mit, und lass sie brennen. Ich komme bald.»
    Auf dem Weg zu ihrem Unterstand blieb sie bei Andres stehen.
    «Spiel morgen für sie. Mir zuliebe.»
    Der Junge schwieg wie ein trotziges Kind.
    «Steinhagen hätte dich erschlagen können. Ich glaube, er ist ein vergleichsweise anständiger Mensch.»
    «Anständig», stieß Andres hervor. «Und heute Nacht macht er dich zur Hure. Findest du das anständig?»
    «Hör zu, Andres. Du bist nicht mein Ehemann und nicht mein Sohn. Also mach es mir nicht unnötig schwer.»
    «Aber ich bin dein Bruder. Du selbst hast das behauptet.»
    «Ja, du bist mir wie ein Bruder. Und deshalb möchte ich, dass dir nichts geschieht.»
    Bedrückt ging sie hinüber in den verfallenen Schuppen. Im schwachen Schein der Tranlampe sah sie, dass in einer halbwegs trockenen Ecke bereits ein Strohsack ausgebreitet lag. Sie legte nur ihren Mantel und ihr enges Mieder ab, dann schlüpfte sie unter die schwere Decke. Zum ersten Mal seit so vielen Wochen hatte sie es zum Schlafen weich und warm, sie hatte sich satt gegessen und musste keine Furcht vor Schnapphähnen und Wegelagerern haben. Sie hätte wohlig die Augen schließen können, wäre da nicht dieses bange Warten auf den Rittmeister gewesen. Jeder Schritt, der sich näherte, ließ sie zusammenzucken, steigerte ihre Unruhe, bis sie schließlich fast darauf hoffte, dass er käme. Denn dann hätte sie wenigstens für den Rest der Nacht ihren Frieden.
    Sie tastete nach dem Pferdchen im Rocksaum. Es war verschwunden! Sie fuhr auf. Der Saum war aufgeschnitten, das verdammte alte Weib hatte auch ihren Talisman gestohlen.
    «Schläfst du?»
    Agnes sah Steinhagen im Türrahmen stehen. Er lächelte.
    «Nein.» Sie war wütend. «Diese zahnlose Vogelscheuche hat mir meinen Glücksbringer gestohlen. Ich werde nicht eher Ruhe geben, bis ich ihn wiederhabe.»
    «Ist es das hier?»
    Er zog das Pferdchen aus seiner Rocktasche. «Ich habe es an mich genommen. Dachte mir schon, dass dieses Pferdchen dir wichtig ist.»
    «Gebt es mir zurück.»
    «Irgendwann vielleicht. Einstweilen behalte ich es. Als Pfand.» Sie ließ sich auf ihr Lager zurücksinken und schloss die

Weitere Kostenlose Bücher