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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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schob sich das Haar aus der Stirn. «Verzeiht mir, das war wenig feinsinnig. Erzählt mir lieber von Stuttgart. Wie erging es Euch als Prinzessin Antonias Kammerfräulein?»
    «Kammerfräulein ist zu viel gesagt, ich habe alles Mögliche gearbeitet. Aber wir waren sehr vertraut.»
    «Widerhold kennt die Prinzessin gut. Sie soll ein ganz außergewöhnlicher Mensch sein.»
    «Ja. Das ist sie.»
    «Genau wie Ihr, Agnes.»
    Wieder spürte sie diesen Schauer. Sie erhob sich brüsk. «Ich fürchte, Ihr habt ein ganz falsches Bild von mir. Ich bin weder mutig noch außergewöhnlich. Und statt mich hier wie ein Burgfräulein verwöhnen zu lassen, sollte ich zu Hause sein, bei meinerFamilie. Bitte, legt ein Wort beim Kommandanten für mich ein, dass er mich bald gehen lässt.»
    «Ohne Schutz könnt Ihr nicht fort. Ihr wisst doch selbst am besten, wie gefährlich das ist.»
    «Aber ich muss nach Stuttgart.» Sie kämpfte gegen die Tränen an. «Ich habe einen Sohn, der mich braucht und den ich schmählich im Stich gelassen habe. Und jetzt ist dort auch noch die Pest ausgebrochen. Ich hätte die Residenz nie verlassen dürfen. Gott mag mich für diesen Frevel strafen.»
    «Geht nicht so hart mit Euch ins Gericht.»
    Sandor Faber war ebenfalls aufgestanden. In diesem Moment ließ ein gewaltiger Donnerschlag sie zusammenzucken, und es begann unvermittelt wie aus Kübeln zu gießen.
    «Rasch, dort hinüber.»
    Er zog sie in den Schutz einer Mauernische. Sie drängten sich an die von der Sonne aufgeheizten Mauersteine, um nicht nass zu werden.
    »Wie heißt Euer Junge?»
    «David. Er ist jetzt   –» Sie rechnete nach. «Er ist jetzt dreizehn.»
    Der Schatten, den sie schon beim Abendgebet bemerkt hatte, legte sich wieder über sein offenes, fein gezeichnetes Gesicht.
    «Das ist ein schöner Name für einen Buben», sagte er leise.
    Sie nickte und sah David vor sich, wie er verschwitzt und außer Atem nach der Schule ins Zimmer stürmte. Verstohlen wischte sie sich über die Augen. «Was war das für eine Nachricht, von der der Kommandant gestern gesprochen hat? Droht Gefahr?»
    Wohlweislich verschwieg sie, was sie durch den Türspalt aufgeschnappt hatte.
    «Ihr dürft nicht erschrecken – es steht wohl eine Belagerung durch die Kaiserlichen bevor. Das haben unsere Kundschafter vor einigen Tagen herausgefunden. Am selben Tag kam eine Depescheaus Straßburg, von Herzog Eberhard. Der Kaiser habe ihm angeboten, Württemberg in den Prager Frieden einzubeziehen, wenn er die vierzehn Mannklöster und zuallererst die Festung Hohentwiel herausgebe. Dann dürfe der Hofstaat auch nach Stuttgart zurückkehren.»
    «Und?»
    «Der Herzog weist diesen Vorschlag entschieden zurück. In der Depesche gibt er Widerhold die Ermahnung, sein auf Mannesehre gegebenes Wort getreulich zu halten.»
    «Dann heißt das, Württemberg hat keine Aussicht auf Frieden? Nur weil Herzog Eberhard so – so stur ist?»
    «Was ist ein Frieden wert, wenn das halbe Land dabei verloren geht? Widerhold wird diese Burg niemals aufgeben, selbst wenn der Kaiser höchstselbst vor den Toren steht.»
    Agnes seufzte. «Warum können Männer immer nur entweder an Sieg oder an Niederlage denken? Das, was dazwischenliegt, wäre die Rettung für so viele Menschen hier im Land.»
    «Vielleicht habt Ihr Recht. Aber so sind die Dinge nun mal.»
    Ein Blitz durchzuckte die Regenwand und tauchte die Festungsanlage in gespenstisch grelles Licht. Der Donnerschlag folgte fast unmittelbar.
    «Wir müssen ins Schloss», rief Faber durch das laute Grollen, das nur langsam verhallte. «Das Gewitter ist direkt über uns. Ich gehe Euch einen Umhang holen.»
    «Nein, lasst nur, ich komme gleich mit.»
    Da nahm er ihre Hand, und sie rannten los. Mitten durch den Wolkenbruch, dessen Ströme ihnen der aufbrausende Sturm ins Gesicht peitschte. Von allen Seiten zuckten nun Blitze durch den schwarzen Himmel.
    «Schnell, da hinein», schrie Faber durch das Tosen.
    Im Dunkel des Stalls schnaubten unruhig die Pferde. Er ließ ihre Hand los. «Ihr seid vollkommen durchnässt. Irgendwo liegen hier Decken herum.»
    Kurz darauf war er wieder bei ihr und brachte ihr eine Decke.
    «Euer Haar – es ist ganz nass.» Behutsam strich er ihr eine Strähne aus der Stirn. «Ihr zittert ja.»
    Er zog die Decke enger um ihren Körper und kam ihr dabei näher, als es schicklich war. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust, sie konnte seinen rasenden Herzschlag hören. Oder war es ihr eigener? Was tat sie hier, um Himmels

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