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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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würden. Matthes hatte nichts dagegen. Ein letztes Mal wälzte er sich in seinem weichen, warmen Bett zur Seite, dachte noch einen kurzen Augenblick darüber nach, ob er seiner Schwester nach Stuttgart schreiben und von Kaspar berichten solle, dann fiel er in tiefen Schlaf.
    Doch bereits am nächsten Morgen eilte das Gerücht durch die Gassen, für zwei Regimenter stehe der Aufbruch bevor. Im nahen Dessau, dort wo sich die Mulde in die Elbe ergoss, sollten sie sich verschanzen. Es hieß, die Mansfeldischen Truppen rüsteten zu einem Angriff.

11
    «Hundertsapperment! So habe ich mir das Soldatenleben wahrlich nicht vorgestellt.» Gottfried stöhnte und rieb sich den schmerzenden Rücken. «Die kujonieren uns ja schlimmer als irgendwelche Arbeitshäusler.»
    Ausgerechnet ihr Regiment hatte es getroffen. Schon nach wenigenTagen der Erholung in Halle waren sie unter dem Kommando des Luxemburgers Johann von Aldringen weitergezogen nach Dessau, wo sie den ganzen Winter über nichts anderes getan hatten, als an den Brücken zur Stadt zu schanzen und zu graben, bis die ganze Gegend in eine unwirkliche Festungslandschaft verwandelt war.
    In ihrem Fähnlein wurde bereits gespottet, Wallenstein und seine Obristen hätten wohl die Hosen voll, dass sie in Erwartung Mansfelds, dieses lächerlichen Zwerges, in der Erde buddelten wie Maulwürfe. Matthes verachtete das Affengeschwätz seiner Kameraden, weil er davon überzeugt war, dass Wallensteins Strategie eine tiefere Absicht verfolgte. Aber er musste Gottfried doch Recht geben: Diese Schinderei von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang untergrub jede Moral, jeden Kampfgeist. Allein die Aussicht auf reiche Beute im feindlichen Tross verhinderte, dass sich die Söldner in Scharen davonmachten. Bis auf ein paar kleinere Scharmützel, bei denen er und Gottfried nicht einmal eingesetzt gewesen waren, hatten sie noch kein einziges Gefecht erlebt. Hinzu kam, dass sie mit zur Arbeit gepressten Bauern und Knechten zusammenarbeiten mussten, mit halsstarrigen, verschlossenen Kerlen, was täglich zu Gezänk und Prügeleien führte.
    «Der Mansfelder soll mir den Buckel runterrutschen.» Gottfried schleuderte die Hacke zur Seite und zog seinen Wasserbeutel unter dem Mantel hervor. «Mir reicht es für heute. Hier, trink.» Sie standen schultertief in einem Graben, die Füße im Schlamm, zusammen mit einem mürrischen alten Knecht, den man von seinem Einödhof hierher verschleppt hatte.
    Matthes nahm einen tiefen Schluck. Der Branntwein fuhr angenehm warm durch die Kehle und den Bauch, bis hinunter in die eisigen Zehen. Er reichte die Flasche weiter an den Alten, doch der drehte ihm nur stumm den Rücken zu.
    «Die Fortifikationen sollen nächste Woche fertig sein.» Matthesschob sich das lange Haar aus der Stirn, auf der trotz des kalten Ostwinds der Schweiß stand. «Das schaffen wir nie. Also komm schon, machen wir weiter.»
    Gottfried grinste. «Ich für meinen Teil mache Feierabend. Ich weiß nämlich, dass Verstärkung eingetroffen ist. Rottenweise laufen dem alten Tilly seine Leute davon.»
    Matthes hatte auch schon davon gehört, dass immer mehr von Tillys Völkern meuterten oder zu Wallenstein überliefen, wo Sold und Versorgung gesichert waren – in diesen Kriegszeiten eine Rarität. Doch es war nicht allein das, was die Söldner zu Wallenstein zog. Eine Laufbahn unter dem Friedländer verhieß die Erfüllung der Hoffnung, durch militärische Leistungen, Gehorsam und persönlichen Einsatz zu Anerkennung zu gelangen, die unabhängig von Geburt und Titel war. Zwar ging dem Herzog von Friedland der Ruf voraus, gnadenlos bei der Durchsetzung der notwendigen Disziplin vorzugehen, andererseits belohnte er Tatkraft und Mut mit großzügigen Prämien. Böse Zungen behaupteten allerdings, er zwinge Tilly beständig, seine Truppen in den unbequemsten und unergiebigsten Quartieren unterzubringen, wo sie den Winter über hungern mussten. Sogar die Pest wüte unter seinen Söldnern, Tausende seien bereits daran erkrankt.
    Der Alte drehte sich um und sah Gottfried abschätzig an. «Auf Verstärkung würde ich mich nicht verlassen. Mansfelds Männer liegen nur wenige Tage elbabwärts. Also grabt lieber weiter, als zu saufen.»
    «Ist das wahr?» Matthes’ Schultern strafften sich, sein schmerzender Rücken war vergessen. Doch der Alte würdigte ihn keiner Antwort.
    Als sie an diesem Abend in ihr Lager zurückkehrten, fühlte Matthes endlich wieder jene Spannung und Entschlusskraft, die ihn einst

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