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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ringsumher.
    «Auf denn in die Schlacht.» Sanftleben trank seinen Becher in einem Zug leer. «Wie sagt der Bauer? Der Esel will geschlagen, der Nussbaum geschwenkt und das Weib geritten sein.»
    «Und was ist mit dir?» Gottfried schlug Matthes herzhaft auf die Schulter.
    «Ein andermal. Mir ist’s recht, wenn ihr verschwindet. Dann komme ich heute wenigstens in den Genuss eines Bettes.»
    «Spielverderber!» Gottfried verzog das Gesicht. Dann setzte er im Flüsterton hinzu: «Vergiss endlich diese Josefa.»
    «Halt’s Maul!»
    Matthes stieß mit dem Fuß seinen Becher zur Seite und schleppte sich in eine der Schlafkammern unterm Dach. Der saure Rotwein hatte ihm zugesetzt, er war hundemüde und erschöpft von ihrem wochenlangen Marsch. Über den fränkischen Kreis, über Schweinfurt und Göttingen hatte sich das Heer, einer Riesenschlange gleich, gen Norden gewälzt, vier alte, drei neue Regimenter zu Fuß, dazu dreiundfünfzig Kompanien Reiter.
    Wäre man nur munter vorangeschritten, ohne Unterbrechung und in kleinen Einheiten, Matthes wäre es recht gewesen. Doch diese Art Marschierens war eine Sache für sich und im Grunde eines Soldaten verdammt unwürdig. Mit dem vielhundertköpfigen Anhang von Weibern, Trossbuben und Kindern, den schweren Geschützen in ihrer Mitte und den riesigen Rinder und Schweineherden für die tägliche Versorgung schafften sie kaum mehr als eine deutsche Meile am Tag. Allein in Göttingen hatte Wallenstein tausend städtische Rinder requirieren lassen. So geriet der Zug ständig ins Stocken: Mal waren Kühe ausgebrochen, mal Dirnen oder Trossknechte in Händel geraten. Oft genug mussten sie auf freiem Feld übernachten, und selbst wenn sich ein Dorf am Wegesrand fand, blieben die Häuser mit ihrenSchlafkammern und gedeckten Tischen den Offizieren und deren Dienerschaft und Stab vorbehalten. Die einfachen Fußknechte mussten sich mit Massenlagern in Scheunen, Stallungen oder in der Dorfkirche begnügen und sich mit den Trossweibern um das Wenige raufen, das der Proviantmeister und seine Gehilfen verteilten.
    Mehr noch als der zur unüberschaubaren Masse angeschwollene Tross, der sich gleich einem Bremsklotz an die Regimenter gehängt hatte, befremdete Matthes jedoch der Hofstaat des Generals. Wallenstein führte rund vierhundert Pferde und fünfzehn mit rotem Leder bespannte Rüstwagen mit sich, deren einer mit einem zerlegbaren Holzhaus und einer silbernen Badewanne beladen war. Allein die herzogliche Equipage umfasste zwölf Kaleschen, Sechsspänner allesamt. In der schönsten thronte, stets in Lederkoller und scharlachrotem Mantel, der General.
    Matthes zog sich die Decke über den Kopf. Er wollte einschlafen, sein Körper verlangte danach, doch die Eindrücke der vergangenen Wochen ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Vor allem ein Bild schob sich ihm fortwährend vor Augen: das von Josefa, mit ihren schwarzen Augen und den halb geöffneten Lippen.
    Am Tage nach der Begegnung mit Kaspar hatte er sie aufgesucht, noch immer voller Zorn, hatte sie mit sich in ein nahes Maisfeld gezerrt und mit einer Maulschelle zur Rede gestellt. Mit blöden Worten hatte sie nach Entschuldigungen gesucht, gestottert und um Verzeihung gebettelt, bis er ihr schließlich mit einem wilden Kuss den Mund verschlossen hatte. Dann hatte er sie genommen. Widerstand spürte er keinen, und als es endlich so weit war und er Erleichterung finden sollte, empfand er nichts als Leere und Enttäuschung. Fortan ging er ihr aus dem Weg. Doch nun lief sie ihm merkwürdigerweise nach wie ein Hündchen, und so hatte er sie schließlich auch weggejagt wie einen Hund. Er wollte nichts mehr von Frauen wissen und hielt sichfern von seinen Kameraden, wenn sie auf «Brautschau» gingen. Auf ihrem langen Marsch fand sich ohnehin kaum noch Gelegenheit zu Liebesabenteuern, viel zu viele Mannsbilder kamen auf die paar Weiber. Irgendwann erfuhr Matthes, Josefa sei zu den Truppen Tillys an die Weser gezogen. Ihm war das nur recht. Die Freundschaft zu Gottfried bedeutete ihm ohnehin viel mehr. Fast Tag und Nacht waren sie zusammen, und wenn er, Matthes, einmal mehr ins Grübeln geriet, brachte ihn Gottfried mit seiner unbeschwerten Art schnell auf andere Gedanken.
    Auch dem Gaukler und Sänger war er nicht wieder begegnet. Hier in Halle war der Tross angewiesen, vor den Toren der Stadt zu kampieren und den Soldaten die Unterkünfte in den Bürgerhäusern zu überlassen. Es ging die Rede, dass sie sich hier für den Winter einrichten

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