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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Stuttgart, den 11.   Juno
    anno Domini 1630
     
    Geliebter Bruder!
    Von ganzem Herzen hoffe ich, dass diese Zeilen dich in Memmingen erreichen. Viele Jahre sind vergangen, in denen ich nie wieder von dir gehört habe. Für dieses eine Mal hoffe ich, dass du noch immer in Wallensteins Diensten stehst, auch wenn mir alles andere lieber wäre. Doch das Wichtigste bleibt, dass du gesund und wohlauf bist.
    Nach all den Jahren, die ich fern von zu Hause verbracht habe, wird mir eines immer bedeutsamer – dass wir uns nicht aus den Augen verlieren. Was bleibt uns denn in solch unsicheren Zeiten anderes als unsere Familie? So bitte ich dich inständig: Lass ein Lebenszeichen von dir hören. Oder – das wage ich kaum zu bitten – komm nach Stuttgart, damit wir uns wiedersehen. Ich hab mir sagen lassen, dass der Weg jetzt im Sommer mit einem guten Pferd in zwei, drei Tagen zu schaffen ist. Ich wäre überglücklich.
    Gott behüte dich und bleib gesund. Deine Schwester Agnes.
    «Nein!», murmelte er. Dabei schüttelte er den Kopf, als würde sie leibhaftig vor ihm stehen.

17
    «Meine Tage sind bald abgelaufen, da mag kommen, was will.» Else wischte sich den Schweiß aus ihrem faltigen Gesicht. «Doch was euch Junge betrifft, so bete ich, dass das alles bald ein Ende hat.»
    Sie saßen im Hof vor Elses Häuschen, im Schatten zwar, doch selbst hier war die Hitze kaum auszuhalten.
    David griff nach einer der glänzenden rotgrünen Julibirnen, und Agnes schlug ihm auf die Finger. «Lass das. Die haben wir der Gevatterin zum Geschenk mitgebracht.»
    «Nun sei doch nicht so streng mit dem Büble. Los, mein Junge, such dir die schönste aus. Und dann ab in den Hühnerstall, Eier suchen.»
    «Denk dir», fuhr Else fort, nachdem sich der Junge Richtung Schuppen getrollt hatte, «Melchert hat sich freiwillig zum Landesaufgebot gemeldet. Ich hab ihn ausgelacht. Dich alten Stecken jagen sie gleich wieder heim, hab ich ihm gesagt. Aber jetzt hab ich Angst, dass sie den Alten tatsächlich holen.»
    «So bös wird es nicht kommen», versuchte Agnes sie zu beruhigen, doch klangen ihr die eigenen Worte falsch und verlogen im Ohr.
    Dabei hatte es zunächst durchaus ausgesehen, als hätten Doctor Löfflers diplomatische Bemühungen Früchte getragen. Was hatte der Vizekanzler nicht Tröstliches zu berichten gewusst: Von Wallenstein drohe keine Gefahr, er habe nicht die Absicht, sich für einen Einmarsch gebrauchen zu lassen und seine Soldaten auszuschicken, um die Tore der Klöster zu sprengen. Er wolle keine neuen Feinde schaffen. Doch dann, zu Beginn des Regensburger Reichstags, war der strenge kaiserliche Befehl nach Memmingen gegangen, Wallenstein möge die Klostersache in Württemberg endlich zum Abschluss bringen – sonst könne man das kaiserliche Heereskommando auch einem anderen General übertragen. Eilends war der württembergische Regent nach Heidenheim aufgebrochenzu einer geheimen Unterredung mit dem Feldherrn, doch da war nichts zu retten. Er habe, so ging das Gerücht in Stuttgart, einen lethargischen, gichtkranken Mann angetroffen, der ein ums andre Mal beschied, er sei zwar ein Freund Württembergs, müsse aber geschehen lassen, was geschehen solle.
    Und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt traten der siebzehnjährige Thronfolger und seine Brüder ihre Kavalierstour nach Straßburg und Mömpelgard an. «Der Feind kommt, und meine Brüder machen sich aus dem Staub», hatte Antonia anfangs noch gespottet. Doch inzwischen überwog die Sorge um die Prinzen. Würden sie bei ihrer Rückkehr ihr Land unversehrt vorfinden?
    Vor drei Tagen nun war von Regensburg Nachricht eingetroffen, seine kaiserliche Majestät sehe sich, da mit einem Einlenken der Württemberger nicht mehr zu rechnen sei, gezwungen, achtundzwanzig Kompanien in die württembergischen Kernlande zu entsenden. Agnes sah noch immer die entsetzten Gesichter im herzoglichen Frauenzimmer vor sich. Dass nicht Wallenstein, sondern ein gewisser Oberst von Ossa an der Spitze marschierte, hatte Prinzessin Antonia zu der bissigen Bemerkung provoziert: Der Friedländer sei nicht nur ein Heuchler, sondern auch ein elender Feigling.
    «Weißt du, Else, was ich am meisten fürchte? Dass es nicht dabei bleibt.»
    «Wobei?«
    «Dass die Katholischen nur die Klosterländereien besetzen, und Schluss. Unser Regent wird sich nicht mehr lange neutral halten. Die jungen Männer im Land gieren doch danach, sich in die Schlacht zu stürzen, und die Landschaft hat längst Gelder bewilligt, um

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