Die Gauklerin
muss.»
«Das gebe Gott», erwiderte Matthes ernst.
Aufrecht und stolz wie ein Prinz ritt David neben ihnen her, während eine gleißende Sonne sich endgültig über die Berge schob und einen weiteren heißen Tag versprach.
«Wir werden uns so bald nicht wieder sehen, nicht wahr?», sagte Agnes.
«Weiß nicht. Aber ich werde dir schreiben, das verspreche ich dir.»
«Ich werde dir auch schreiben.»
«Das wird schwierig. Ich kann ja die Postreiter nutzen, die inzwischen viele große Städte verbinden. Und ich weiß, wo du zu finden bist. Aber ich bin mal hier, mal da. Es war wirklich großes Glück, dass ich in Wallensteins Hauptquartier war, als dein Brief in Memmingen eintraf.»
«Aber dienst du denn nicht in Wallensteins Regiment?»
«Wallenstein hat viele Regimenter, im Augenblick um die fünfzig, und die liegen über halb Deutschland verstreut. Da hätte der Generalissimus viel zu tun, wenn er die Post an seine Söldner verteilen wollte.»
«Dann müsste ich also wissen, in welchem Regiment du gerade dienst?»
«Genau. Doch das wechselt häufig.»
«Wo bist du jetzt?»
«Unter Oberst von Ossa.»
«Ossa?» Der Name kam wie ein spitzer Schrei über ihre Lippen, und sie blieb abrupt stehen.
Matthes sah sie verdutzt an. «Er ist einer von Wallensteins Vertrauten. Ja und?»
«Ja und?» Sie stampfte mit dem Fuß auf. «Dann gehörst du zu den römischen Bluthunden, die in dieses friedliche Land eingefallen sind und wegen ein paar alter Kirchen und Klöster sengen und morden?»
Ihre Stimme war so schrill geworden, dass das Pferd unruhig zu tänzeln begann.
«Ich dachte, du wüsstest – wir wollten doch nicht über den Krieg –»
«Hast dich womöglich aufgedrängt für diesen heldenhaften Feldzug, dich an vorderster Front gemeldet? Pfui Teufel, wenn das Vater wüsste!»
«Nicht so laut, Agnes. Bitte beruhige dich.» Er griff dem Pferd in die Zügel.
«Beruhigen?» Sie stampfte mit dem Fuß auf und stieß ihren Bruder gegen die Brust. David begann zu weinen.
«Ich bin kein Bluthund. Ich erfülle nur meine Pflicht gegenüber unserem Kaiser.» Er zog David aus dem Sattel und hielt ihn im Arm fest. «Euch wird nichts geschehen. Euch nicht und keinem anderen Menschen in Stuttgart. In dieser Sache geht es nur um die Kirchengüter, die der Mutterkirche einst widerrechtlich entrissen wurden.«
«O ja, ich habe davon gehört», höhnte sie. «Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.»
«Nicht der Kaiser – die Geistlichkeit soll ihre Klöster und Kirchen zurückbekommen. Das sind Orte des Gottesdienstes und der Gebete.»
«Aber das ist hundert Jahre her, seit da zuletzt Mönche und Nonnen lebten!» Ihre Stimme zitterte noch immer, doch jetzt sprach sie leiser. «Aus den Klöstern sind längst Knabenschulen geworden. Die Bauern ringsum kennen keinen andern Herrn als unseren Herzog.»
«Unseren Herzog!» Matthes konnte nicht verhindern, dass sich ein verächtlicher Ton in seine Worte mischte. «Ich sehe, du hast längst eine neue Heimat gefunden. Hast du vergessen, dass du aus einer freien Reichsstadt kommst? Die über sich nur unseren Kaiser als Herrn anerkennt?»
«Und was ist das für ein Kaiser, der seinen Glauben mit blanker Gewalt durchsetzt? Der dafür Ströme von Blut vergießt, sein halbes Volk niedermetzeln lässt wie einst die Ritterorden die Heiden und Mohren? Nichts anderes als ein grausamer Herodes ist er. Und du als Lutheraner gibst dich dafür her, schlägst deine eigenen Glaubensbrüder hinterrücks tot.»
«Ich schlage überhaupt niemanden hinterrücks tot. Ich kämpfe auf dem Schlachtfeld für ein geeintes Reich. Ich kämpfe gegen Eindringlinge, die hier nichts zu suchen haben und gegen alle, die sich mit ihnen verbünden. Das hat doch schon längst nichts mehr mit dem Glauben zu schaffen.»
David befreite sich aus seinen Armen und rannte zurück in Richtung Stadt.
Agnes’ dunkle Augen verengten sich zu Schlitzen. «Du bist ein elender Verräter, Matthes Marx, und verdienst es nicht, den Namen deines Vaters zu führen.»
Damit drehte sie sich um und folgte schnellen Schrittes ihrem Sohn.
Matthes sah ihr nach. In seinen Augen standen Tränen. Vielleicht bin ich ein Verräter, dachte er. Aber es gibt keinen Weg mehr zurück.
18
In diesem Sommer überschlugen sich die Ereignisse. Das war von zahlreichen beunruhigenden Himmelszeichen angekündigt worden: So hatten die Einwohner von Eger beobachtet, wie zwischen schwarzen Wolken Adler und Löwe miteinander kämpften und der Löwe
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