Die Gauklerin
fanden sich ungeahnte Schätze in den Kellern und Vorratskammern. Weniger bereitwillig denn verängstigt öffnete auch der Dorfpfarrer seine Kammer. Neben randvollen Obstkörben lagerten auf den Brettern Bleche über Bleche mit köstlichem Butterkuchen, Brotlaib stapelte sich auf Brotlaib, dazwischen eine mit Lorbeerblättern und bunten Beeren hübsch verzierte Geflügelpastete und ein gewaltiger Schinken.
Hauptmann Recknagel, Herr über ein Fähnlein Infanteristen und fett wie ein Kapaun, pfiff durch die Zähne: «Ich denke, das könnte ein wahrer Festschmaus werden.»
«Verzeiht, mein Herr, wenn ich etwas einzuwenden habe.» Der Pfarrer schlug die Augen nieder. «Das meiste hiervon ist für das Hochzeitsfest meines Neffen gedacht. Er wird sich morgen vermählen.»
Recknagels runder Kopf, der halslos auf dem schweren Leib klebte, versank noch tiefer zwischen den Schultern.
«Heißt das, Ihr wollt uns mit ein paar Äpfeln abspeisen?»
«Nun –» Der schmächtige Mann wand sich vor Verlegenheit. «Ich werde ausreichend Brot, Käse und Wein auftreiben, dazu noch ein Hühnchen aus meinem Stall –»
«Zum Teufel mit deinem Hühnchen! Was hier liegt, gefällt uns besser, dazu beschaffst du uns noch zwei Hammel. Dein Neffe soll im nächsten Sommer heiraten.» Er wandte sich um. «Oder was meinen die anderen Herrschaften?»
Matthes war der Einzige unter den zwanzig Männern, der nicht im Rang eines Rittmeisters oder Hauptmanns stand. Dass er nicht mit den anderen Unteroffizieren in einer der schäbigen Hütten untergebracht war, hatte er de Parada zu verdanken, dessen Günstling er inzwischen war. Immer häufiger hörte man munkeln, der Napolitaner wolle ihn bei Gelegenheit zum Leutnant machen. Doch in diesem Augenblick wäre er liebend gern an einem anderen Ort gewesen. Er sah hinüber zu seinem Rittmeister, der unschlüssig von einem Bein aufs andere trat und jetzt das Wort ergriff.
«Hört, guter Mann. Wir haben seit Tagen nichts Anständiges gegessen, mit Brot und Käse ist es also nicht getan. Aber wir werden Euch bezahlen.»
«Bezahlen?» Recknagel lachte meckernd. «Aus welcher Schatulle? Habt Ihr noch was im Beutel, de Parada? Ich, für meinen Teil, will jetzt was zu trinken. Hast du ein Fässchen Wein im Keller?»
Der Pfarrer nickte.
«Dein Glück. Marx, Ihr helft ihm beim Hochtragen. Rosa, komm her.»
Unwillig schlurfte die Gerufene heran. Rosa war nicht besonders hübsch, hatte aber einen prallen Busen, der ihr Mieder spannte. Recknagel behandelte sie wie eine Magd, dabei war sie seine Frau. Der Hauptmann war einer der wenigen Offiziere, die ihre Frauen auf diesen Feldzug mitgenommen hatten. In letzter Zeit indessen schien er das zu bereuen.
«Du trägst mit der Pfarrersfrau Gedeck und Becher auf. Los, beweg deinen fetten Arsch.»
Wenig später drängten sich alle um die Tafel. Gierig stopften sie sich mit Brot voll und stürzten den Wein die durstigen Kehlen hinunter, während draußen das Feuer für die Hammel angefacht wurde.
Matthes wusste, dass de Parada als einziger Geld für Kost und Losament hinterlassen würde. Es war nicht recht, was sie hier taten. Doch er wollte nicht darüber nachdenken, wie über so vieles, was ihm in diesen Wochen übel aufgestoßen war. Er hatte Hunger. Ohne auf die Reihenfolge zu achten, verschlang er, was auf den Tisch kam. Aß Pastete zu Butterkuchen, stopfte sich abwechselnd Speckseiten und Käsewürfel in den Mund, dazwischen Birnen und gebackene Eier, Süßkraut und gesalzenen Hering. Längere Zeit war am Tisch nichts als Schmatzen und Schlürfen zu hören, als Knacken, Knirschen, Kauen. Unterdessen stand die Pfarrersfrau in der dampfenden Küche, machte ihre sämtlichen Vorräte zunichte, bis endlich die ersten Bratenstücke von der Feuerstelle hereingebracht wurden. Matthes lag der Magen längst wie Blei im Leib, doch er konnte nicht aufhören. Er wischte sich den Bratensaft aus dem Gesicht und griff nach dem nächsten Stück Fleisch.
Einmal steckte ein junges Mädchen den Kopf zur Tür herein.
«Wen haben wir denn da?» Das feiste Gesicht Recknagels verzog sich zu einem Grinsen. «Immer hereinspaziert mit den schönen Frauen!»
Schüchtern trat das Mädchen näher. Sie zählte höchstens sechzehn Jahre, hatte eine Haut, so weiß wie Alabaster, hellrote Locken kringelten sich auf ihrer glatten Stirn.
«Ich suche meinen Vater.»
Recknagel wischte sich das Messer am Stiefelschaft sauber. «Der wird hoffentlich bald mit einem neuen Fass Wein
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