Die Gebeine von Avalon
er mir mit dem Stiefel einen leichten Stoß, sodass ich mit dem Rücken genau auf dem dampfenden Haufen Pferdemist landete, und ging an mir vorbei in den Gasthof.
XXXIX Nichts zu verbergen
D r. Borrow war in seinem Behandlungszimmer und nahm einer Frau den Verband von ihrem verheilenden Arm ab. Ich setzte mich und wartete und sah zu, während mir der Kopf vor lauter Fragen schwirrte.
«Am besten tragt Ihr das Kind eine Weile lang nicht auf diesem Arm», riet Borrow. «Ich will Euch hier nämlich nicht so schnell wiedersehen … es sei denn, wenn Ihr das Geld bringt. Und falls Ihr es nicht habt, tut es auch die Milch für eine Woche.»
Er lächelte. Ich hatte keine Ahnung, wie er so ruhig bleiben konnte. Am Mundwinkel hatte er eine Narbe, und seine Lippe war geschwollen, aber das schien ihn nicht weiter zu kümmern.
Nachdem die Frau gegangen war, verkorkte er ein Glas mit Beinwell, der sich in dunkelbraunem Öl kräuselte. Im Sonnenlicht, das durch das Fenster auf das Glas fiel, wirkte die Pflanze, als wäre sie lebendig. Er stellte das Glas zu anderen Apothekerfläschchen in ein Regal.
«Seid Ihr wegen einer Salbe hier, Dr. John?»
«Äh … nein.» Unwillkürlich legte ich meine Hand über meinen Kiefer. Das Sprechen schmerzte mich. «Ich bin gestolpert … aber deswegen bin ich nicht hier. Lasst mich gleich zur Sache kommen, Dr. Borrrow. Ich hatte vor, Eure Tochter vor dem Assisengericht zu verteidigen.»
«Verstehe.»
«Ich bin in der Rechtswissenschaft ausgebildet und hasse Ungerechtigkeit. Ich hatte Sir Peter Carew gebeten, ein Treffen mit Eurer Tochter zu arrangieren, damit wir den Fall besprechen können. Vor einer halben Stunde ist er aus Wells zurückgekehrt und teilte mir mit, dass sie sich weigert, mit mir zu sprechen.»
Borrow nickte, zumindest kam es mir so vor. Er wirkte auf mich wie das genaue Gegenteil von Carew; ein ebenso geschickter wie gutmütiger Mann, dessen Körpersäfte ausgewogen schienen, obwohl es in ihm offensichtlich auch eine Mischung aus Melancholie und Schwerblütigkeit gab, die aber nicht allzu ausgeprägt schien.
«Wisst Ihr, wieso?», fragte ich ihn.
«Sie hat nicht sehr viel Geld.»
«Herr im Himmel, sie hat meinen Freund geheilt! Mir geht es doch nicht um
Geld
–»
«Ich verstehe.» Borrow wickelte mit seinen feingliedrigen Fingern eine gute Armlänge Verband auf. «Ihr dürft nicht glauben, dass das mit Euren sicherlich beachtlichen Fähigkeiten zu tun hat.»
Er legte den aufgewickelten Verband ins Regal und seufzte – das erste Anzeichen menschlicher Schwäche, das er bisher gezeigt hatte.
«Sie will niemanden sehen. Auch mich nicht.»
Er sah mich mit ruhigem Blick an. Er war ein Mann, der tagtäglich Umgang mit dem Tod und furchtbaren Krankheiten hatte, war es gewohnt, alle menschlichen Regungen beiseitezuschieben, wenn es um eine nüchterne Diagnose ging.
«Aber das ergibt keinen Sinn, Dr. Borrow. Ebenso wenig wie die Weigerung ihrer Mutter, für ihr eigenes Leben zu kämpfen.»
«Ah … davon hat Euch Joe Monger erzählt.»
Ich nickte. Er bat mich, auf dem Patientenstuhl Platz zu nehmen, und setzte sich mir gegenüber an seinen Behandlungstisch aus polierter Kiefer.
«Er hat angedeutet, dass sie damit Euer Ansehen schützen wollte», fuhr ich fort. «Um Euch aus der ganzen Sache herauszuhalten.»
«Cate … hat ihr Licht stets unter den Scheffel gestellt und meine Fähigkeiten überbewertet. Dass ich vorhatte, zu ihren Gunsten zu sprechen und diese haltlose Anklage zu entkräften, ist wahr. Aber dazu kam es nicht.»
«Darf ich fragen, auf welche Weise Ihr dies zu tun gedachtet?»
«Indem ich diesen ganzen primitiven Unsinn angeblicher Hexerei in Frage gestellt hätte.» Borrow war ganz ruhig, und in seiner Stimme lag nichts Feindseliges. «Ich weiß ja nicht, wie Ihr darüber denkt, aber die Vernunft sagt mir, dass dieser Unfug am Ende unseres Jahrhunderts der Vergangenheit angehören wird.»
«
Was
genau meint Ihr damit?»
«Die Vorstellung von einem göttlichen Wesen – nun,
das
könnte natürlich länger dauern, bis wir uns davon lösen, aber der Grundstein ist schon gelegt. Der Papst hat einen Arschtritt bekommen, und die Kirche Englands wird von einem Laien geführt – obendrein auch noch von einer Frau.
Einer Frau?
Hätte vor dreißig Jahren irgendjemand geglaubt, dass es das jemals geben würde? Hättet Ihr das für möglich gehalten?»
«Vermutlich nicht.»
«Jetzt ist bald Schluss damit, Dr. John. Die Menschheit nimmt
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