Die Gebeine von Avalon

fertig.»
    «Dann sprecht mit diesem Mann hier.» Monger trat zurück. «Macht Euren Frieden, nehmt das nicht alles mit ins Grab.» Er packte die Leiter und sagte zu mir noch: «Stellt ihm Eure Fragen. Vielleicht bleibt Euch dazu nicht mehr viel Zeit.»
    Ich kniete mich hin und rollte den Schädel von König Edgar oder welchem König auch immer beiseite.
    «Master Benlow …»
    Er grinste mich an. Ich hielt es wenigstens für ein Grinsen. Auf seinen kleinen, scharfen Zähnen war Blut zu sehen. Er hatte wohl versucht, sich die Handgelenke aufzubeißen, bevor die Kraft dazu ihn verließ und er nicht mehr genug Luft bekam.
    «Die haben mich fertiggemacht», flüsterte er. «So ist es doch, oder?»
    «Der Doktor wird gleich hier sein.»
    «Wickelt mich in ein Fell, Mylord. Legt mich so ins Grab … in ein gutes, warmes Fell gewickelt, damit meine Knochen …»
    «So weich ruhen wie die von Artus?»
    Ich durfte keine weitere Zeit verlieren. Nicht einmal eine Minute Ich wartete und sah ihm dabei in die Augen, die nun ruhig und aufmerksam wirkten.
    «Was wisst Ihr darüber?»
    «Ich weiß, was Ihr in Butleigh vergraben habt.»
    Er öffnete weit den Mund, als wollte er tief Luft holen, schloss ihn wieder und begann, mit schwacher Stimme zu sprechen.
    «Bin ich nicht mal ein einfaches Fell wert?»
    «Auf jeden Fall ein besseres Fell als Artus.»
    «Hab denen doch eins
angeboten
. Ein
sehr gutes
sogar. Eines von meinen.»
    «Aber das gute Fell wollten sie nicht haben», sagte ich sanft. «Es sollte eines sein, das aussah, als wäre es zwanzig Jahre alt.»
    Er versuchte zu schnauben, die Augen in seiner Qual weit aufgerissen.
    «Wi…derliches altes Ding. Haben es mir dagelassen.»
    «Wo?»
    «Bei der Abtei, hinter … hinter dem Küchengebäude. Widerliches altes Ding. Hab mich geschämt …»
    «Haben sie Euch die Eichenkiste vorher hergebracht? Und wann war das?»
    «Gestern? Vorgestern? Am Tag davor? Welchen Tag haben wir heute?»
    «Montag.»
    «Vor einer Woche? Ich weiß es nicht mehr. Die Zeit vergeht schnell, wenn man stirbt.»
    «Wer hat Euch das Fell gebracht, Master Benlow?»
    «Weiß nicht. Lag schon da. Ich sollte es abholen, haben sie gesagt.»
    «Wer?»
    «Verratet mir Eure Geheimnisse.»
    «Die kennt Ihr schon alle.»
    Wahrscheinlich stammte das Fell von irgendeinem Hof, auf dem bei den Schafen die Wollkämmer-Seuche ausgebrochen war. Bei Nacht hatte man es dann von dort geholt. Mit einer langen Mistgabel.
    Bis sie die Gebeine des Königs aller Briten geküsst hat …
    «Von wem stammten die Knochen?», flüsterte ich. «Wessen Knochen habt Ihr auf das Fell gelegt? Wessen Knochen habt Ihr in Butleigh beerdigt?»
    Ich ahnte die Antwort darauf. Konnte mich lediglich nicht des Namens entsinnen.
    Benlow schwieg. Ich fragte ihn erneut danach, war ihm jetzt nahe genug, um die Beulen an seinem Hals zu erkennen, eine von ihnen fast ein Zoll groß und die Mitte schwarz wie ein bodenloses Loch.
    «Ein großer Mann», sagte ich. «Der größte auf dem gesamten Friedhof.»
    «Artus», krächzte Benlow. «Hunderte von Heiligen an einer Wand übereinandergestapelt, und alle wollen immer nur Artus.»
    Er versuchte, Luft zu holen, aber er konnte es nicht. Mit panischem Blick sank er gegen eine Wand aus Tod und Zerfall.
    «Helft mir, Benlow. Tut noch etwas Gutes.»
    «Was ist gut?» Seine Lider flatterten wie Mottenflügel. «Was ist böse? Und was liegt dazwischen? Sie lügen alle. Sogar Gott lügt.»
    «Und was ist mit denen, die behaupten, dass es keinen Gott gibt? Als ich beim letzten Mal hier war, sagtet Ihr, auch das wären Lügner. Wer hat zu Euch davon gesprochen? Dr. Borrow vielleicht?»
    Mir fiel wieder ein, was Mistress Cadwaladr gesagt hatte. Und was ich gedacht hatte, als ich Borrows Behandlungsraum beim ersten Mal verließ, bevor ich geistig nur noch mit Leland und seinen Träumen beschäftigt gewesen war.
    «Ich hatte Ehrfurcht vor ihm, Mylord. Er zog mich an.»
    «Seid Ihr manchmal auch ihm gefolgt?»
    «Wie dem Messias.»
    «Ihr habt erzählt, Ihr würdet oft Leuten folgen.»
    «Ja, und man ist überrascht, wo sie dann hinwollen.»
    «Und Dr. Borrow? Wohin ging er?»
    «In die Kirche das eine Mal, nachts, als alles still war. Der Doktor ging in die Kirche von St. Benignus, zündete eine Kerze an, und ich –»
    Benlow packte meine Arme und rang nach Luft.
    «Was habt Ihr noch gesehen?»
    «Gehört hab ich was. Er hat geschrien. Er war allein im Dunkeln vor dem Altar, und er hat geschrien wie Jesus am