Die Gebrüder Kip
würden.
»Achtung, daß wir nicht von einander gerissen werden! rief Pieter.
– Verlass’ dich ruhig auf mich!« antwortete Karl.
Beide waren vortreffliche Schwimmer; es fragte sich nur, ob hier Land in der Nähe wäre, an welcher Stelle sich der Dreimaster zur Zeit der Kollision in dem Teile des Großen Ozeans befände, der zwischen Australien und Neuseeland, sowie unterhalb Neukaledoniens lag, das der Kapitän Roebok vor achtundvierzig Stunden, als er das letzte Besteck machte, in östlicher Richtung gepeilt hatte.
Selbstverständlich mußte der Dampfer, wenn er nicht nach dem Zusammenstoße gestoppt hatte, jetzt schon weit weg sein. Doch selbst wenn er Rettungsboote ausgesetzt hätte, wäre von den Überlebenden des Unfalles bei dem düsteren Nebel doch kaum jemand zu finden gewesen.
Karl und Pieter hielten sich für verloren. Tiefe Finsternis umhüllte das Meer. Kein Laut einer Dampfpfeife, kein Ton einer Sirene verriet die Anwesenheit eines Schiffes, ebensowenig hörte man etwas von dem Ausstoßen von Dampf, als ein Zeichen, daß jenes noch an der Unglücksstelle zurückgeblieben war. Kein Trümmerstück, das die Brüder hätten erfassen können, trieb auf dem Wasser hin.
Eine halbe Stunde erhielten sich Karl und Pieter schwimmend, wobei der ältere dem jüngeren immer Mut zusprach und ihn mit dem Arm unterstützte, wenn dieser schwach zu werden anfing. Immerhin nahte der Augenblick, wo beide am Ende ihrer Kräfte sein mußten, und nach einem letzten Händedrucke, einem Lebewohl für ewig, versanken sie dann voraussichtlich in den Abgrund.
Da gelang es Karl Kip gegen drei Uhr morgens einen Gegenstand zu erfassen, der in seiner Nähe geschwommen kam. Es war ein Hühnerkäfig von der »Wilhelmina«, und an diesen klammerten sich beide nun an.
Endlich blitzte das Morgenrot durch die gelblichen Dunstmassen, die bald mehr in die Höhe stiegen, und eine aufspringende Brise erregte ein leichtes Plätschern kleiner Wellen.
Karl Kip ließ den Blick über den Horizont hin schweifen.
Im Osten war das Meer verlassen; im Westen aber erblickte er bald eine hochaufsteigende Landmasse.
Diese lag kaum drei Seemeilen von ihnen entfernt. Wind und Strömung trugen sie darauf zu. Mit Sicherheit konnten sie erwarten, dahin zu gelangen, wenn nur der Seegang nicht allzu stark wurde.
Welchem Lande – Festlande oder Insel – die nahe Küste auch angehören mochte, jedenfalls bedeutete sie für die Schiffbrüchigen eine vorläufige Rettung.
Das weit nach Westen verlaufende Ufergelände wurde von einem steilen Berge überragt, dessen Gipfel schon die Sonnenstrahlen vergoldeten.
»Da!… Da drüben!« rief Karl Kip.
In der Tat, nur in dieser Richtung winkte das Heil, denn draußen auf dem hohen Meere wäre kein Segel, kein Licht eines Dampfers zu entdecken gewesen. Von der »Wilhelmina« war keine Spur übrig… sie war scheinbar mit Mann und Maus untergegangen. Auch von dem Dampfer, der sie angerannt hatte, konnte man nichts entdecken, dieser befand sich, beim Zusammenstoß jedenfalls wenig beschädigt, offenbar schon in weiter Ferne.
Obwohl Karl Kip sich bis zur halben Körperhöhe aus dem Wasser aufrichtete, konnte er doch keine Spur des Rumpfes, kein Stück der Takelage von der Goëlette entdecken. Der Hühnerkäfig, woran sich die Brüder festhielten, war das einzige Überbleibsel von der schrecklichen Katastrophe.
Pieter, der aufs äußerste erschöpft und halb erstickt war, wäre wohl rettungslos in die Tiefe gesunken, wenn ihm sein Bruder nicht den Kopf gehalten hätte. Karl aber schwamm kraftvoll weiter und trieb dabei den Käfig nach einem Klippengewirr zu, an dem das Meer in unregelmäßiger Linie weißschäumend aufbrandete.
Diese erste Linie des Korallenringes zog sich ein Stück weit vor der eigentlichen Küste hin, die zu erreichen noch eine Stunde schwerer Anstrengung nötig machte. Bei dem Auf-und Abwogen des Wassers wäre es sehr schwierig gewesen, auf den äußeren Korallenblöcken Fuß zu fassen. Die Schiffbrüchigen mußten sich deshalb erst noch durch eine enge Wasserstraße hindurcharbeiten, und erst kurz nach sieben Uhr gelang es ihnen, den Landvorsprung zu erklimmen, von dem aus das Boot des »James-Cook« sie endlich aufgenommen hatte.
Auf dieser ihnen unbekannten und unbewohnten Insel führten nun die beiden kaum bekleideten Brüder, denen es an jedem Werkzeug, jedem Geräte fehlte, vierzehn volle Tage ein höchst elendes Leben.
So lautete der Bericht Pieter Kips, den sein Bruder, der
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