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Die Gebrüder Kip

Die Gebrüder Kip

Titel: Die Gebrüder Kip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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beiden Brüder wurden nach der gemeinschaftlichen Kajüte geführt, wo das erste Frühstück aufgetragen war, und nun endlich konnten sie sich nach vierzehntägigen Entbehrungen und Leiden einmal wieder sättigen und erholen.
    Gibson wies sie dann nach einer Seitenkabine, wo Kleidungsstücke aus den Vorräten für die Mannschaft lagen. Nachdem sie sich umgezogen hatten, erschienen die Schiffbrüchigen auf dem Hinterdeck und hier erzählten sie im Beisein Hawkins, des Kapitäns und dessen Sohnes ihre Geschichte.
    Die Männer waren Holländer, gebürtig aus Groningen. Sie hießen Karl und Pieter Kip. Der ältere, Karl, ein Offizier der niederländischen Handelsflotte, hatte schon viele Fahrten, zuerst als Leutnant, später als Oberbootsmann, mitgemacht. Der jüngere, Pieter, war Teilhaber eines Kontors auf Amboina, einer der Molukken, und Korrespondent der Firma Kip in Groningen.
    Das Haus betrieb den Groß- und den Kleinhandel mit den Erzeugnissen des zu Holland gehörigen Archipels, vorzüglich mit Muskatnüssen und Gewürznelken, die hier in großer Menge gewonnen werden. Wenn das Geschäft auch nicht zu den allerersten der Stadt gehörte, so hatte sich dessen Inhaber doch des besten Rufes in den kaufmännischen Kreisen zu erfreuen gehabt.
    Kip, der Vater der Schiffbrüchigen und seit einigen Jahren Witwer, war vor fünf Monaten gestorben… ein schwerer Schlag für die Geschäfte der Firma, der zu gewissen Maßnahmen drängte, eine Liquidation des Handelshauses zu verhindern, die gerade jetzt unter ungünstigen Umständen stattgefunden hätte, und deshalb mußten vor allem die beiden Brüder nach Groningen zurückkehren.
    Karl Kip war gegenwärtig fünfunddreißig Jahre alt. Ein tüchtiger Seemann und auf der Vorstufe zum Kapitänsrange, wartete er nur auf ein Kommando, das ihm gewiß bald übertragen werden sollte. Vielleicht von weniger entwickelter Intelligenz, als sein jüngerer Bruder, jedenfalls weniger Geschäftsmann und minder geeignet, ein Handelshaus zu leiten, übertraf er diesen doch an Entschlossenheit und Energie ebenso, wie an Kraft und Ausdauer. Sein größter Kummer war nur der gewesen, daß die Vermögenslage des Hauses Kip es ihm niemals ermöglicht hatte, ein eigenes Schiff zu führen. Karl Kip hätte dann die Lange Fahrt auf seine Rechnung betrieben. Es war aber unmöglich gewesen, den im Handel selbst festgelegten Kapitalien der Firma etwas zu entziehen, und so blieb der Wunsch des älteren Sohnes eben unerfüllt.
    Karl und Pieter umschlang ein Band fester Freundschaft, die noch durch keinen Mißklang gestört worden war und sich noch mehr als die Blutsverwandtschaft auf ihre gegenseitige Anhänglichkeit stützte. Zwischen ihnen gab es keinen Schatten, kein Wölkchen der Eifersucht oder des Neides. Jeder blieb in seiner Sphäre: der eine unternahm die weiten Reisen und trotzte den Gefahren des Meeres, der andere besorgte die Arbeiten im Kontore von Amboina und pflegte die Beziehungen zu dem Geschäftshause in Groningen. Ihre Familie war für beide genug. Sie hatten gar nicht daran gedacht, eine zweite zu begründen, die ihnen neue Verpflichtungen auferlegt und sie vielleicht mehr von einander entfernt hätte. Sie empfanden es schon drückend, daß der Vater in Holland, Karl meistens auf der Fahrt und Pieter auf den Molukken war. Der letztere widmete sich, bei seiner hervorragenden Begabung für den Handel, ausschließlich den Geschäften. Sein Teilhaber, ein Holländer wie er, suchte diese noch zu erweitern. Im Vertrauen auf die zunehmende Befestigung des Kredites, den die Firma Kip genoß, widmete er diesem Ziele seine Zeit mit rastlosem Eifer.
    Beim Ableben des alten Herrn Kip befand sich Karl gerade im Hafen von Amboina an Bord eines Dreimasters aus Rotterdam, auf dem er die Stellung eines Oberbootsmannes einnahm. Die beiden Brüder wurden tiefschmerzlich von dem Schlage betroffen, der sie eines Vaters beraubte, für den sie die wärmste Zuneigung hegten. Und nun waren sie nicht einmal an der Seite des geliebten Familienoberhauptes gewesen, seine letzten Worte zu hören und seine letzten Seufzer zu vernehmen!
    Der Todesfall führte sie dann zu dem Beschlusse, daß Pieter die Teilhaberschaft an dem Kontor in Amboina aufgeben und die Leitung des väterlichen Hauses in Groningen übernehmen sollte.
    Der Dreimaster »Maximus«, mit dem Karl Kip nach den Molukken gekommen war, wurde aber – es war schon ein altes Schiff – für eine Rückreise als nicht mehr seetüchtig genug erklärt. Auf der

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