Die Gebrüder Kip
also eine Grabstelle gewählt, denn es wäre unmöglich gewesen, zu warten, bis in Port-Praslin ein Grab ausgehoben würde, die sterblichen Überreste des Ermordeten aufzunehmen.
Der traurige Tag verstrich unter allgemeiner Verzweiflung. Dann kam die Nacht, die Nat Gibson unter schwerem Seufzen, doch ohne nur eine Minute Schlaf zu finden, hinbrachte.
Am nächsten Tage erfolgte die Beerdigung, an der sich alle deutschen und englischen Bewohner Kerawaras beteiligten. Die Flagge des »James-Cook« wehte in Schau, die anderen Schiffe im Hafen hatten alle Halbmast geflaggt.
Der mit der Nationalflagge bedeckte Sarg wurde von vier Leuten von der Brigg getragen. Nat Gibson, der Gouverneur, Hawkins und Zieger gingen unmittelbar hinterher, und ihnen folgten Flig Balt und die übrigen von der Mannschaft, denen sich viele Matrosen von anderen Schiffen angeschlossen hatten.
Der dem Sarge vorausschreitende englische Missionar sprach auf dem Wege liturgische Gebete.
So erreichte der Trauerzug den Friedhof und vor dem Grabe hielt Herr Hamburg noch eine kurze Gedächtnisrede zu Ehren des Kapitän Gibson.
Der Schmerz Nat Gibsons ergriff alle Anwesenden aufs tiefste. Hawkins vermochte den jungen Mann kaum aufrecht zu erhalten, der sich noch einmal auf den Sarg des geliebten Vaters warf. Dann ließ man den Sarg in die Grube hinuntersinken, und an der Grabstelle wurde ein von Herrn Hamburg besorgtes Holzkreuz mit folgender Inschrift aufgerichtet:
Zum Andenken an den
Kapitän Harry Gibson aus Hobart-Town,
ermordet am 2. Dezember 1885.
Sein Sohn, seine Freunde, seine Mannschaft und die Bewohner Kerawaras.
Gott gebe seiner Seele Frieden!
Die fortgesetzten Nachforschungen des Herrn Hamburg waren bisher erfolglos gewesen. Nach vollbrachter Tat hatten sich die Mörder ohne Zweifel beeilt, Kerawara zu verlassen, um sich unter die Eingebornenstämme von Neulauenburg zu flüchten. Unter solchen Umständen war leider kaum auf eine Aufhellung des düsteren Geheimnisses zu rechnen, denn Piroguen der Eingebornen waren meist den ganzen Tag zwischen der Insel und dem Eiland unterwegs, ein nach diesem vielleicht schnell zurückkehrendes Boot wäre also nicht im geringsten aufgefallen. Die Waffe, deren sich der Mörder bedient hatte, und damit vielleicht auch diesen selbst zu entdecken, das hing doch nur von einem glücklichen Zufall ab, auf den man kaum seine Hoffnung setzen konnte.
Die Brigg verlängerte ihren Aufenthalt an Kerawara nicht weiter. Schon am Morgen, wo sich das Gerücht von dem Morde verbreitete, war sie segelfertig gewesen, um nach Port-Praslin zurückzukehren.
In Übereinstimmung mit Herrn Zieger ließ Hawkins deshalb den Bootsmann ins Deckhaus rufen.
»Flig Balt, redete er diesen an, der ›James-Cook‹ hat seinen Kapitän verloren…
– Ein großes Unglück, antwortete Flig Balt, dessen Stimme merkbar, doch nicht vor Schmerz, zitterte.
– Ich weiß, fuhr Hawkins fort, wie viel Vertrauen mein unglücklicher Freund in Sie setzte, und ich denke, daß auch ich dasselbe Vertrauen zu Ihnen hegen kann.«
Der Bootsmann verbeugte sich mit niedergeschlagenen Augen, ohne auf die Anrede ein Wort zu erwidern.
»Morgen, Flig Balt, erklärte der Reeder weiter, wird der ›James-Cook‹ absegeln, und Sie werden ihn nach Hobart-Town zurückführen.
– Wie Sie befehlen, Herr Hawkins,« antwortete Flig Balt, sich zurückziehend.
Hawkins hatte zwar ausgesprochen, daß der Bootsmann vorläufig Gibson in der Führung des Schiffes vertreten, nicht aber, daß er dessen Kapitän sein sollte. Vielleicht dachte er gar nicht daran, jenem diesen Titel ausdrücklich zu verleihen, und erachtete es für hinreichend, daß Flig Balt dessen Obliegenheiten auf der Fahrt vom Bismarck-Archipel bis Tasmanien auf sich nahm. Dem Bootsmann war das nicht entgangen, und gleich nachher sprach er sich Vin Mod gegenüber über die Sache aus.
»Ach, das ist ja gleichgültig! erwiderte der Matrose. Zunächst bringen wir die Brigg nach Port-Praslin zurück. Ob du dann Kapitän oder Obersteuermann bist, das kommt auf eins hinaus, Balt! Sind wir erst im Besitz des Fahrzeuges, so ernennen wir uns einen Kapitän, und ich will mich doch an den Füßen aufbaumeln lassen, wenn unsere Ernennung nicht ebenso viel wert wäre, wie die des Reeders Hawkins!«
Wenn Len Cannon und dessen Genossen auch noch nicht wußten, daß Flig Balt und Vin Mod die Mörder Gibsons waren, so glaubten sie doch fest, daß die Brigg nun nicht mehr nach Hobart-Town zurückkehren
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