Die Geburt Europas im Mittelalter
Luxemburg; 1336 kam Philipp VI. und schließlich, 1443 und 1464, Ludwig XI. Aber auch die Könige von Kastilien bezeugten der «Schwarzen Madonna» ihre Frömmigkeit, insbesondere Alfons VIII., der Vater Blancas von Kastilien, und seine Gemahlin Eleonore von England, die Tochter Heinrichs II. Plantagenêt, die der Seligen Maria von Rocamadour 1181 eine Schenkung von zwei Dörfern nahe Burgos machten. Aber bereits im 12. Jahrhundert strömten Pilger aus ganz Europa nach Rocamadour, sogar aus dem fernen Baltikum.
Feudale Zersplitterung und königliche Zentralgewalt
Auf der politischen Ebene bot die Christenheit des 11. und 12. Jahrhunderts dem Anschein nach ein widersprüchliches Schauspiel, das sich aber fast bis in unsere Zeit in Europa wiederfindet und das mit der heute verbreiteten Politik der Dezentralisierung in gewisser Weise neu belebt wird. Einerseits etablierte sich eine feudale Gesellschaft, deren Charakteristikumunter anderem in der Auflösung der Zentralgewalt – über die man sich bei den Karolingern noch Illusionen hatte machen können – zu Gunsten einer Fragmentierung der Macht durch Grundherren bestand, die königliche Hoheitsrechte, die so genannten Regalien, an sich rissen: das Recht der Münzprägung (das zu dieser Zeit allerdings noch wenig Bedeutung hatte), vor allem aber die Gerichtsbarkeit und das Recht, Steuern zu erheben. Andererseits scharten sich die Völker der Christenheit nach dem Niedergang des kurzlebigen karolingischen Einigungsversuchs um Herrscher, die Mittel und Wege fanden, das, was ihnen an Macht geblieben war, mit der feudalen Zersplitterung zu verbinden. Die Geschichtsschreibung hat gewöhnlich den Finger auf die angebliche Unvereinbarkeit zwischen einem zentralisierten Staat und dem Feudalsystem gelegt. In Wirklichkeit – und die Wirklichkeit ist flexibler – haben sich politische Kompromisslösungen gefunden, die man feudale Monarchien nennen kann.
Die Existenz dieser Monarchien, die mit einer großen Erbschaft für das künftige Europa beladen sind, hat einige grundlegende Gegebenheiten zur Voraussetzung. Höher gestellt als die Könige an der Spitze dieser Monarchien gibt es in der Christenheit des feudalen Zeitalters zwei übergeordnete Gewalten, die durch den Papst und den Kaiser vertreten werden. Was die Pontifikalmacht anbelangt, so stellt auch sie sich dem Anschein nach widersprüchlich dar. Die hier behandelte Periode ist die Zeit, in der das Papsttum einen laufenden Machtzuwachs erfährt. Man kann sogar sagen, dass es am Ende dieser Periode, unter dem Pontifikat Innozenz III. (1198–1216), die mächtigste aller christlichen Monarchien geworden ist. Es verfügt über ein weit gespanntes Netz: In der ganzen Christenheit sind ihm die Zentralorgane des Heiligen Stuhls verpflichtet, die vor allem, erstarkt und ausgebaut, in allen christlichen Ländern Abgaben erheben, so dass dem Papst reichlicher als jeder anderen Monarchie bedeutende finanzielle Mittel zufließen. Aber andererseits respektieren der Heilige Stuhl und die Kirche die Ergebnisse der Gregorianischen Reform, trotz der Versuche Gregors VII., eine Kirchenherrschaft über die weltlichen Staaten zu errichten. Die Trennung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt ist Wirklichkeit geworden, auch wenndie Kirche in bestimmten Fällen – wie etwa bei Ehen, die als inzestuös gelten – ihren Willen durchsetzt. Besser noch, der Heilige Stuhl und die Kirche stellen sich rasch auf eine Zusammenarbeit mit den einzelnen Königreichen ein und unterstützten sie maßgeblich.
Ansehen und Schwäche des Kaisers
Auch die Existenz einer anderen übergeordneten, diesmal weltlichen Person, des Kaisers, hätte die Entwicklung und die Macht der Feudalmonarchien bremsen können. Aber der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation war nicht stark genug, um diesen kraftvollen jungen Königreichen seinen Willen aufzuzwingen. Die neuen Könige leisteten den Kaisern zwar manche Huldigung, doch ihre Unabhängigkeit von Reich und Kaiser gehörte zu den großen politischen Bewegungen der Zeit. Am Ende dieses Prozesses standen Erklärungen, wie Philipp August sie in Frankreich zu Beginn des 13. Jahrhunderts abgab: «Der König von Frankreich duldet in seinem Königreich keinen Höheren über sich.» Ein Jahrhundert später sollte Philipp der Schöne diese Tendenz mit den Worten bekräftigen und präzisieren: «Der König ist Kaiser in seinem Königreich.» Auch wenn der König von Frankreich die Unabhängigkeit
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