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Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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christlichen Abendlands abhob. Je weiter die Muslime im Lauf der
Reconquista
von den Christen nach Süden zurückgedrängt wurden, umso mehr vereinfachte sich das Mosaik der im Zuge der Eroberung aufgetauchten Königreiche, vor allem zu Gunsten Kastiliens, das erst mit Navarra verschmolz und dann León vereinnahmte, als Ferdinand, damals noch Graf von Kastilien, im Jahr 1017 den König von León besiegte und 1037, in León gesalbt, den Titel König von Kastilien und León annahm. Aber diese Union wurde erst 1230 endgültig besiegelt. Die Könige von Kastilien hatten mit einem kriegerischen Adel zu tun, aus dem ein Heerführer, der bald im Dienst der christlichen, bald in dem der muslimischen Herren kämpfte, als charakteristische Persönlichkeit für die zwiespältige Situation auf der Halbinsel hervorstach: Rodrigo Díaz de Vivar. Er war gemeinsam mit Sancho II., dem späteren König von Kastilien, in dessen Haus erzogen worden und ging als der legendäre Held ElCid (1043–1099), auf den ich noch zu sprechen kommen werde, in die Mythologie des Krieger- und Rittertums ein.
    Die Könige von Kastilien haben ihre Macht nach und nach unter Zuhilfenahme verschiedener Bündnispartner aufgebaut, indem sie sich über die Aristokratie hinaus die urbane Oligarchie, die Städte von Kastilien, verpflichteten, auf die ständischen Versammlungen der
Cortes
zurückgriffen und städtischen Bürgergemeinden oder nichtadligen Herren Freiheiten,
fueros
, gewährten. Auf Kosten Toledos, das der kastilische König Alfons VI. 1085 von den Muslimen zurückerobert hatte, versuchten die neuen Könige von Kastilien eine Hauptstadt in Burgos zu errichten, dessen Bistum seit 1104 Exemtion genoss und das in der Mitte des 13. Jahrhunderts den offiziellen Titel
Cabeza de Castilla et camera de los reyos
, «Oberhaupt Kastiliens und Schatzkammer der Könige», erhielt.
     
    Die Normannen.
– Diesen drei wichtigsten Monarchien, die als Antizipation eines monarchischen Europa erscheinen, gesellt sich unerwartet eine weitere hinzu: die Diaspora der Normannen – ein Name, der im Lauf des Mittelalters von einem der wichtigsten Bevölkerungselemente auf die Skandinavier schlechthin übertragen wurde. Abgesehen von der Bildung im Grunde eher unstabiler Königreiche in Skandinavien (in Norwegen wurde im 13. Jahrhundert ein «Königsspiegel» verfasst), abgesehen auch von der Niederlassung eines Teils der Wikinger in der französischen Normandie und von der ebenso unvollständigen wie kurzlebigen Eroberung Englands durch die Normannen unter Knut dem Großen (gestorben 1035) in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, schuf diese erstaunliche Diaspora am Ende des 11. Jahrhunderts auch in Süditalien ein Königreich, das mit Kalabrien und Apulien Gebiete umfasste, die die Normannen den Byzantinern 1041 und 1071 abgenommen hatten. (1071 hatte Robert Guiscard Bari erobert, und 1087 überführten Seeleute die Gebeine des hl. Nikolaus von Myra, Schutzpatron der Kinder und der Schüler, dem eine prachtvolle Basilika errichtet wurde, von der aus sich der Kult dieses Heiligen in ganz Europa verbreitete.) Im Jahr 1137 erstreckte sich das neue Königreich auf Neapel und Sizilien, wo Palermo bereits 1072 und Syrakus 1086 unter normannische Herrschaft gefallen waren.
    Auf eine Periode heftiger Auseinandersetzungen mit dem Papsttum, die Roger I. (1031–1101) das Etikett «Tyrann» eintrugen, das in Erinnerung an die Tyrannen der Antike den schlechten Königen verliehen wurde, folgte eine Zeit der Versöhnung zwischen den Normannenkönigen und dem Heiligen Stuhl. Sizilien entwickelte sich zu einem der glanzvollsten christlichen Königreiche. Den Byzantinern und Muslimen entrissen, fanden Süditalien und Sizilien wieder Anschluss an die europäische Christenheit. Im Jahr 1130 wurde Roger II. (um 1095–1154) zum König gekrönt, nachdem er den Herrschaftssitz nach Palermo verlegt hatte.
    Der letzte Normannenkönig von Sizilien, Wilhelm II. (1154–1189), starb kinderlos und hinterließ die Krone seiner Tante Konstanze mit deren Gemahl, dem Sohn Friedrich Barbarossas, der 1191 Kaiser Heinrich VI. wurde. Als dieser 1197 vorzeitig starb, folgte ihm sein Sohn, der künftige Friedrich II., auf dem Thron von Neapel und Sizilien. Friedrich II. setzte das Werk seiner normannischen Ahnen mit verstärktem Elan fort und schuf in seinem Königreich Verwaltungsstrukturen, die es zu einer der erfolgreichsten Feudalmonarchien machten. Bald war Palermo die einzige Stadt im

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