Die Gedichte
nicht die grobe
Kraft, die widerruft und die entzweit:
denn das süße Wagnis der Probe
wäre stolz und ohne Eitelkeit.
6
Was hilft es uns, daß ich den Bogen spanne,
wenn ich den Pfeil nicht an die Sehne leg?
Ich bin ein Zeichen, Pappel oder Tanne,
Du aber bist die Sonne auf dem Weg.
Die Sonne kommt nicht, wenn sie ihn erhellt.
Der Weg ist nicht für sie, wennauch beschienen.
Was auf den Wegen wandert, ist das Dienen,
dem zuviel Sonne sich entgegenstellt.
7
Halb ruf ich Dich, halb halt ich Dich von mir,
daß ich den schönen Zauber nicht verstöre;
ich sag mir, wenn ich Deine Pulse höre:
bist Du nicht hier?
Was liegt an Deinem oder meinem Ort?
Sooft Du mich empfängst in Deinem Innern,
erschrocken wie durch künftiges Erinnern – :
bin ich nicht dort?
8
Denk, es wäre alles anders, als
wir es uns gewährten mittlerweile,
und ich hätte Höhe nicht, noch Steile
für die Neigung Deines Wasserfalls.
Würde alles dann vergebens sein?
Oder sind wir fähig, im Gewahren
frei zu sein von Maßen und von Jahren
und entzücken uns – auch noch im Nein?
9
Daß ich mich im Grauen Deiner Nächte
löste, Du mir zugetrautes Kind,
und Dir jene Ungeheuer brächte,
riesiger, wie sie im Tierkreis sind.
Bär und Löwe werden sterngestaltet,
wenn wir sie ins Ganze einbeziehn.
Schlafe fühlend: Himmel sind entfaltet
und die Fernen sind verliehn.
(wieder: Muzot, nur für eine kleine Weile diesmal.)
ACHTE ANTWORT
(Da der Brief schon geschlossen war)
LIED
für die junge Freundin
Übersetz mir den Rosenduft
in etwas, was uns noch mehr
gehört … : daß in der Luft
zwischen uns ein ihm Gleiches wär,
selig wie er!
Selig wie er? Ist er denn selig auch?
Ach, oft so schwer …
Dieser Sommerhauch,
wo kommt er her?
Kommt er wirklich vom Rosenbeet,
oder ist er Erinnerung?
Macht er alt oder jung,
wenn er vergeht?
Kennt ich doch Deiner Hände Geruch,
oder den Duft von dem Umschlagtuch,
das Dir gut steht.
Wüßt ich die Düfte von Deinem Haar
und ob es weich und wunderbar
(wenn Du liefst) von Dir weht.
Rosen duften so allgemein, –
duften wie das Dunkelsein,
in dem man keinen erkennt.
Sieh, wie uns heute der Rosenduft,
dieses viele Gefühl in der Luft:
wie es uns trennt!
(am 7. August)
NEUNTE ANTWORT
FÜR ERIKA
1
Ich halts in ruhigen Händen und ich wäge
das schwere Gegen und das schwere Für …
Zuweilen waren Deines Herzens Schläge
fast wie ein Schlag an meiner Tür.
Nun aber scheint mir Deine Nähe stiller,
und mein Bewegtsein halt ich leise an;
denn das tut not, daß jedes Herz den Triller
in seiner eignen Nacht vollenden kann.
In seiner hohen Nacht, in seiner stillen,
die einsam war, obwohl die Nacht des Bunds.
So wird es klar: wir sind dem Stern zu Willen,
der in den beiden Nächten herrscht –, nicht uns.
2
Keine Stürme sollst Du wecken, keine!
Niemand soll erschrecken, daß sich Deine
Gegenwart ins Gegenteil verkehrt;
wo uns Freude wurde, sei Gefallen,
denen, die Dich fühlen, und in Allen
sei die Fähigkeit zu Dir vermehrt.
Jener Gott, der Deine Fühlung schickte
mir zu Herzen, meinte nicht Konflikte
in Dein offenes Gemüt zu streun.
Schien ich müd vom einsam Untertauchen,
mein ich doch nun wieder, nichts zu brauchen
als mich mit der Freuenden zu freun.
(am 13. August)
ÜBER DEM BILDNIS
Deine Dichteraugen überwiegen
jenes »Ungefähr« in Deinem Bild;
sie vor allem seh ich: schön verschwiegen
im Bemühn, das, was Dir außen gilt,
Deiner innern Schwester anzuschmiegen.
Wie die Dichter bist Du doppelt innen
und gebunden an ein dunkles Du.
(Kein Entrinnen, Heide , kein Entrinnen!)
Aber Dein Bejahen dieses Binnen-
spieles – und der Spielenden dazu.
(am 14. August)
ZEHNTE ANTWORT
Am 1. Januar 1925
Wie scheinst Du mir als Dichterin vermehrt,
wie hast Du Dich, seitdem ich schwieg, entfaltet;
Wachstum ist alles, siehst Du, nichts veraltet.
Und wie, ins Starke sicher eingestaltet,
die leichte Süße leichter wiederkehrt!
Wir wollten schweigen; selber sprachst Du’s aus.
Das Wort verlangte Raum, um auszugehen …
Auch durfte auf dem Grund des Unterbaus,
den wir uns schufen, solches Schweigen stehen.
Dazu kam dies: Ich war nicht krank, doch fast;
beinahe-kranksein aber ist noch schlimmer:
der Geist giebt nach, bezieht ein Krankenzimmer, –
nichts ist ihm lieb und Lässiges verhaßt.
So fühlt ein Vogel manchesmal die Last
der schweren Flügel … Oder Sterne spüren
(statt jener Mächte, die sie führen,)
in sich der Stoffe Dumpfheit und Kontrast.
So schwieg ich
Weitere Kostenlose Bücher