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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Schalen.
Gleichviel Raum. Und daneben,
ungebraucht,
alle Gewichte des Gleichmuts,
glänzen, geordnet.

    VI
    So leise wie der Druck von deiner Hand
zuweilen war im freudigsten Begegnen:
so, kaum beruhend, ist den sehr Entlegnen
der Druck der Luft und jeder Gegenstand.

    Die Leiber, die aus der Entzweiung heilen,
sind stärker nicht berührend und berührt;
wie Wasser wird ein fließendes Verweilen
durch ihre Schatten durchgeführt.

    VII

    Das (nicht vorhandene) Kindergrab mit dem Ball

    1
    Von diesen Kreuzen keins,
nicht Englein, hölzern und zinnern,
dürften an dich erinnern
als kleines Ein-mal-eins

    des Tods, den du selber dir deutest:
sondern, es liege der Ball,
den du, zu werfen, dich freutest,
– einfacher Niederfall –
in einem goldenen Netz
über der tieferen Truhe.
Sein Bogen und, nun, seine Ruhe
befolgen dasselbe Gesetz.

    2
    Du warsts imstand und warfst ihn weit hinein
in die Natur; sie nahm ihn wie den ihren
und ließ getrost sein Etwas-wärmer-sein
in ihren sichern Räumen sich verlieren.

    Dann kam er wieder, himmlisch abgekühlt:
wie hast du, ihm entgegen, froh beklommen,
das Übermaß in seinem Wiederkommen
mit allem Übermaß zugleich gefühlt.

    3
    Wir werfen dieses Ding, das uns gehört,
in das Gesetz aus unserm dichten Leben,
wo immer wieder Wurf und Sturz sich stört.

    Da schwebt es hin und zieht in reinem Strich
die Sehnsucht aus, die wir ihm mitgegeben –,
sieht uns zurückgeblieben, wendet sich
und meint, im Fall, der zunimmt, uns zu heben.

    VIII
    Das Spiel, da man sich an die Bäume stellt,
um mit einander rasch den Platz zu tauschen:
wars nicht ein letztes Suchen und Belauschen
der einmal innerlich bewohnten Welt?

    Sie sprangen fast wie aus den Bäumen vor:
erregte Mädchen in gekreuzter Helle …
Und wer im Wechseln seinen Platz verlor,
der war der Liebesgott und ohne Stelle.

    Die Mitte, die nach allen Seiten schreckt,
die Wahl die zuckt, das Zücken aller Schritte –,
und wie von Göttlicherem angesteckt,
war jede innen beides: Baum und Mitte.

    IX
    Sterne, Schläfer und Geister
sind nicht verbunden genug;
nächtlich ordnet der Meister
ihren geplanten Bezug.

    Über dem schlafenden Plane
zieht er die Linien aus,
wenn das bei Tage Getane
abstirbt im ängstlichen Haus.

    Nur in die Liebenden reichen
seine Zeichen hinein,
weil sie, in Träumen voll Teichen,
Blume spiegeln und Stein.

    Während Entwürfe ihm keimen,
wirft er, wie Vogelschwung,
Spiegelbild des Geheimen
durch den Glanz ihrer Spiegelung.

    Ist es nicht wie Atmen, dieses stete
Wechselspiel von Zauber und Verzicht,
wenn sich wieder, was nur war und wehte,
sammelt in ein nahes Angesicht?

    Welt und Antlitz: wie sie sich verdrängen
und sich seltsam gleichen: keins ist mehr …
Gestern fand ich an den fernen Hängen
mein Genügen. Heut entbehr

    ich ein Aufschaun, einen Mund

    Welt war in dem Antlitz der Geliebten –,
aber plötzlich ist sie ausgegossen:
Welt ist draußen, Welt ist nicht zu fassen.

    Warum trank ich nicht, da ich es aufhob,
aus dem vollen, dem geliebten Antlitz
Welt, die nah war, duftend meinem Munde?

    Ach, ich trank. Wie trank ich unerschöpflich.
Doch auch ich war angefüllt mit zuviel
Welt, und trinkend ging ich selber über.

    Ach, im Wind gelöst,
wieviel vergebliche Wiederkehr.
Manches, was uns verstößt,
tut hinterher,
wenn wir vorüber sind,
ratlos die Arme auf.
Denn es giebt keinen Lauf
zurück. Alles hebt uns hinaus,
und das spät offene Haus
bleibt leer.

    Empfange nun von manchem Zweig ein Winken,
als sei’s ein Grüßen oder Wiedersehn;
und, wie die Schalen, draus die Vögel trinken,
laß selbst den Regen spiegelnd in dir stehn.

    Nichts geht verloren, alles giebt sich weiter.
Wer es im Innersten begreift der steigt,
und oben ist das Ende seiner Leiter
ans Gleichgesinnte sicher angeneigt.

    Blick, der mich dunkel erwog
aus zögerndem Lidererheben,
der mir das biegsame Leben
näher zum Herzen bog:
wenn es dich völlig ertrug,
schnellt es zurück als das gleiche?
Oder behält eine weiche
Ranke den plötzlichen Bug?

    (Da ich dir schrieb, sprang Saft
auf in der männlichen Blume,
die meinem Menschentume
reich ist und rätselhaft.

    Fühlst du, da du mich liest,
ferne Zärtliche, welche
Süße im weiblichen Kelche
willig zusammenfließt?)

    Daß uns das Verbundene verrate
seinen höchst verschwiegenen Verein,
drängen wir uns in das delikate
Eheglück der Carbonate
und ins Kloster der Chloride ein.

    Wenn sich dann das überrascht Getrennte
an uns ausgeliefert weiß,
geben die erschrocknen

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