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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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erschauernd,
aber in sich so fest;
unerschöpfliche Schöpfung, dauernd
über dem Erdenrest;

    voll von jungen Gestirnen, die Feuer
aus der Flucht ihres Saums
schleudern ins lautlose Abenteuer
des Zwischenraums:

    wie, durch dein bloßes Dasein, erschein ich,
Übertrefferin, klein – ;
doch, mit der dunkelen Erde einig,
wag ich es, in dir zu sein.

    SCHWERKRAFT

    Mitte, wie du aus allen
dich ziehst, auch noch aus Fliegenden dich
wiedergewinnst, Mitte, du Stärkste.

    Stehender: wie ein Trank den Durst
durchstürzt ihn die Schwerkraft.

    Doch aus dem Schlafenden fällt,
wie aus lagernder Wolke,
reichlicher Regen der Schwere.

    FÜR FRÄULEIN MARGA WERTHEIMER

    Was unser Geist der Wirrnis abgewinnt,
kommt irgendwann Lebendigem zugute;
wenn es auch manchmal nur Gedanken sind,
sie lösen sich in jenem großen Blute,
das weiterrinnt … .

    Und ists Gefühl: wer weiß, wie weit es reicht
und was es in dem reinen Raum ergiebt,
in dem ein kleines Mehr von schwer und leicht
Welten bewegt und einen Stern verschiebt.

    MAUSOLEUM

    Königsherz. Kern eines hohen
Herrscherbaums. Balsamfrucht.
Goldene Herznuß. Urnen-Mohn
mitten im Mittelbau,
(wo der Widerhall abspringt,
wie ein Splitter der Stille,
wenn du dich rührst,
weil es dir scheint,
daß deine vorige
Haltung zu laut war …)
Völkern entzogenes,
sterngesinnt,
im unsichtbaren Kreisen
kreisendes Königsherz.
Wo ist, wohin,
jenes der leichten
Lieblingin?
: Lächeln, von außen,
auf die zögernde Rundung
heiterer Früchte gelegt;
oder der Motte, vielleicht,
Kostbarkeit, Florflügel, Fühler …
Wo aber, wo, das sie sang,
das sie in Eins sang,
das Dichterherz?
: Wind,
unsichtbar,
Windinnres.

    Wasser, die stürzen und eilende …
heiter vereinte, heiter sich teilende
Wasser … Landschaft voll Gang.
Wasser zu Wassern sich drängende
und die in Klängen hängende
Stille am Wiesenhang.

    Ist in ihnen die Zeit gelöst,
die sich staut und sich weiterstößt,
vorbei am vergeßlichen Ohr?
Geht indessen aus jedem Hang
in den himmlischen Übergang
irdischer Raum hervor?

    Irgendwo blüht die Blume des Abschieds und streut
immerfort Blütenstaub, den wir atmen, herüber;
auch noch im kommendsten Wind atmen wir Abschied.

    Urne, Fruchtknoten des Mohns –,
oh und die leichten, die roten
Blätter, die ihr unwissender Wind entriß …
Wie schon die Söhne des Sohns!
Alle sooft überboten,
jeder einzelne ungewiß.

    Und da stürzt sich die Zeit weiter mit ihnen ins Tiefe;
was von den Stürzenden bleibt?
Ein verblichenes Bild und vergilbende Briefe
und in dem, der noch lebt, das, was keiner beschreibt.

    Jenes Unsägliche, das wir unendlich beweinen …
Nicht wie Gazelle und Reh,
die in dem künftigen Tier heiter wiedererscheinen,
so verläßlich wie eh.

    Unser Besitz ist Verlust. Je kühner, je reiner
wir verlieren, je mehr

    Aufgedeckter das Land: auf allen Wegen ist Heimkehr,
durch den gelockerten Baum sieht man das Haus, wie es währt.
Himmel entfernt sich von uns. Wärmt nun, oh Herzen, die Erde,
daß sie uns innig gehört in dem verlassenen Raum.

    Gieb mir, oh Erde, den reinen
Ton für den Tränenkrug;
mein Wesen, ergieße das Weinen,
das sich in dir verschlug.

    Daß sich Verhaltenes löse
in das gefügte Gefäß.
Nur das Nirgends ist böse,
alles Sein ist gemäß.

    HERBST

    Oh hoher Baum des Schauns, der sich entlaubt:
nun heißts gewachsen sein dem Übermaße
von Himmel, das durch seine Äste bricht.
Erfüllt vom Sommer, schien er tief und dicht,
uns beinah denkend, ein vertrautes Haupt.
Nun wird sein ganzes Innere zur Straße
des Himmels. Und der Himmel kennt uns nicht.

    Ein Äußerstes: daß wir wie Vogelflug
uns werfen durch das neue Aufgetane,
das uns verleugnet mit dem Recht des Raums,
der nur mit Welten umgeht. Unsres Saums
Wellen-Gefühle suchen nach Bezug
und trösten sich im Offenen als Fahne –
… … … … … … … … … . .

    Aber ein Heimweh meint das Haupt des Baums.

    DREI GEDICHTE AUS DEM UMKREIS:
SPIEGELUNGEN

    I
    O schöner Glanz des scheuen Spiegelbilds!
Wie darf es glänzen, weil es nirgends dauert.
Der Frauen Dürsten nach sich selber stillts.
Wie ist die Welt mit Spiegeln zugemauert

    für sie. Wir fallen in der Spiegel Glanz
wie in geheimen Abfluß unseres Wesens;
sie aber finden ihres dort: sie lesens.
Sie müssen doppelt sein, dann sind sie ganz.

    Oh, tritt, Geliebte, vor das klare Glas,
auf daß du seist. Daß zwischen dir und dir
die Spannung sich erneue und das Maß
für das, was unaussprechlich ist in ihr.

    Gesteigert um dein Bild: wie

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