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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Sah es manchmal einer von den Knaben,
wie es sie verklärte? – Mag es ihnen
jenes Händewerk entwirklicht haben
und das zugeneigte Angesicht.

    Wer da eintrat, meinte er nicht, unter
lauter nicht mehr Wirklichen zu sein?
Draußen war sogar das Dunkel bunter, –
hier war nichts als Schein und Widerschein
von dem reinen Unterwasser-Licht.

    Ach, wie ging er in die Spitzen über,
dieser Schimmer, der sich einbezog.
Wenn sich eins der Mädchen vorwärtsbog,
war er manchmal so bewegt, als hüb er
selbst ein namenloses Angesicht.

    Wie der Wasserball sein Licht empfing
und es unbeschreiblich so verteilte,
daß man nicht mehr wußte, ob es weilte
oder abschiednehmender verging –,
dieses beinah innerliche Licht.

    Fast wie Licht in einem lichten Leben,
fast wie schon vom Glück verbrauchtes Licht,
so verschenkt, so sinnlos hingegeben
und so nah schon wieder am Verzicht:
Licht für Spitzen. Klöppellicht.

    SPIEGELBILD

    In meinen lebenden Raum
schwanke wilde Waldrebe
zieh ich dich und verwebe
dich in den treibenden Traum.

    Wenn es dir oben gelingt
hoch in den Sommer zu räuchern
zwischen gespiegelten Sträuchern
bist du an Bilder verdingt.

    Da schwang die Schaukel durch den Schmerz –, doch siehe,
der Schatten wars des Baums, an dem sie hängt.

    Ob ich nun vorwärtsschwinge oder fliehe,
vom Schwunge in den Gegenschwung gedrängt,
das alles ist noch nicht einmal der Baum.
Mag ich nun steiler schwingen oder schräger,
ich fühle nur die Schaukel; meinen Träger
gewahr ich kaum.

    So laß uns herrlich einen Baum vermuten,
der sich aus Riesenwurzeln aufwärtsstammt,
durch den unendlich Wind und Vögel fluten
und unter dem, im reinen Hirtenamt,
die Hirten sannen und die Herden ruhten.
Und daß durch ihn die starken Sterne blitzen,
macht ihn zur Maske einer ganzen Nacht.
Wer reicht aus ihm bis zu den Göttersitzen,
da uns sein Wesen schon nachdenklich macht?

    Eine Furche in meinem Hirn,
eine Linie meiner Hand:
hält die Gewohnheit stand,
wird sie mir beides verwirrn.

    Rette dich und entflieh
aus dem verengten Netz.
Wirf ein neues Gesetz
über dich und sie.

    FÜR FRÄULEIN EVA SCHREIER

    Es muß wohl sein, daß jugendlicher Schwung
zur Jugend spricht. Da ich in einer Nacht
(wie lang ists her!), vom Nachtwind angefacht,
aufglühte so , daß dieses Lied von Schlacht
und Lust und Mut und Untergang
aus meinem Blut in seine Gußform sprang – :
was war ich jung!
Und nun seid ihrs. Oh seids, oh seids!
Ohne Bedenken, ohne Geiz.

    Ich bin es noch. Und bin sogar noch Kind.
Fühlende bleiben , was sie fühlend sind.

    Heb mich aus meines Abfalls Finsternissen
in dein Gesicht, das mich so süß erkennt.
Wie war ich, damals, zu dir hingerissen,
in meines Herzens Element.

    Nun fiel ich ab und muß mich trübe trösten
mit wirrem, wucherndem Gelüst;
du hast den Innigen, dir Eingeflößten,
Geliebte, nicht zuend geküßt.

    Die Sehnsucht, die du namenlos erlitten,
bricht nun in meinen Adern aus und schreit.
Wie trugst du nur in deinen Liebesmitten
die Leere, die den Einsamen entzweit!

    GARTEN-NACHT

    Nebelnd schweben durch den Rosenbogen,
den man für die Lebenden gebeugt,
jene, die, nicht völlig überzeugt,
aus dem nahen Tod herüberwogen …

    Sie, die diese Erde tief besitzen,
grüßen ihre Oberfläche kühl, –
hoffen, an dem Dörnicht sich zu ritzen
mit vergessnem Schmerzgefühl.

    Eine tastet an dem Rebengange
nach dem überraschten Blatt …
Blatt versagt … nun sucht sie mit der Wange …
Aber Nachtwind will an wangesstatt …

    AUS DEM UMKREIS: NÄCHTE

    Gestirne der Nacht, die ich erwachter gewahre,
überspannen sie nur das heutige, meine Gesicht,
oder zugleich das ganze Gesicht meiner Jahre,
diese Brücken, die ruhen auf Pfeilern von Licht?

    Wer will dort wandeln? Für wen bin ich Abgrund und Bachbett,
daß er mich so im weitesten Kreis übergeht –,
mich überspringt und mich nimmt wie den Läufer im Schachbrett
und auf seinem Siege besteht?

    HANDINNERES

    Innres der Hand. Sohle, die nicht mehr geht
als auf Gefühl. Die sich nach oben hält
und im Spiegel
himmlische Straßen empfängt, die selber
wandelnden.
Die gelernt hat, auf Wasser zu gehn,
wenn sie schöpft,
die auf den Brunnen geht,
aller Wege Verwandlerin.
Die auftritt in anderen Händen,
die ihresgleichen
zur Landschaft macht:
wandert und ankommt in ihnen,
sie anfüllt mit Ankunft.

    AUS DEM UMKREIS: NÄCHTE

    Nacht. Oh du in Tiefe gelöstes
Gesicht an meinem Gesicht.
Du, meines staunenden Anschauns größtes
Übergewicht.

    Nacht, in meinem Blicke

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