Die Gedichte
Wert? Was teilt ein Duft uns mit?
(Was wir auch tun, mit einem jeden Schritt
verwischen wir die Grenzen des Entdeckens.)
Musik: du Wasser unsres Brunnenbeckens,
Du Strahl der fällt, du Ton der spiegelt, du
selig Erwachte unterm Griff des Weckens,
du durch den Zufluß rein ergänzte Ruh,
Du mehr als wir … , von jeglichem Wozu
befreit … .
Bedenkst du’s auch, daß eine blinde Welt
uns rings umgiebt? Wir einzig gegenüber,
wir Becherspiel, in das die Kugel fällt
Früher, wie oft, blieben wir, Stern in Stern,
wenn aus dem Sternbild der freiste,
jener Sprech-Stern hervortrat und rief.
Stern in Stern staunten wir,
Er, der Sprecher des Stern-Bilds,
ich, meines Lebens Mund,
Nebenstern meines Augs.
Und die Nacht, wie gewährte sie uns
die durchwachte Verständigung.
Wie sollte so ein Buch nicht bleiben wollen,
wo man es so, wie Sie getan, empfing.
Ein Meisterwerk? Nicht doch. Ein kleines Ding,
ein kleiner Becher, aus der übervollen
seligen Flut geschöpft. Und, ach, mein Teil:
des Bechers Spiegelbild. Gefüllt womit?
Mit Spiegelbildern jenes Namenlosen,
das die berühmte »Seilerin« erlitt.
Rosen in Spiegeln. Lyoneser Rosen
von fünfzehnhundertfünfzig! Jeder Schritt,
vom leicht getanzten bis zum schwer geschleppten,
hat er sich doch der Erde mitgeteilt?
Sie selbst vielleicht, nicht was in Versen weilt,
erweckt sich den empfänglichen Adepten,
der innig glaubt und gläubig wiederholt
den Liebes-Bruchteil und das Hundertfache –;
nun dient ihm, wie dem Goldschmied, diese wache
und rätselhafte Glut, die nicht verkohlt.
EINE FOLGE ZUR »ROSENSCHALE«
Geschrieben für Mme. Riccard
Reich war von ihnen der Raum, immer voller und sätter.
Rosen, verweilende: plötzlich streun sie sich aus.
Abends vielleicht. Der entschlossene Abfall der Blätter
klingt an den Rand des Kamins, wie ein leiser Applaus.
Geben sie Beifall der Zeit, die sie so zärtlich getötet?
Währten sie selbst sich genug, die uns zu frühe entgehn?
Siehe, die rötesten sind bis ans Schwarze verrötet
und den bleicheren ist jegliche Blässe geschehn.
Nun: ihr Jenseits beginnt zwischen den Seiten der Bücher;
unbezwinglicher Duft wohnt in der Lade, im Schrank,
drängt in ein Ding, das uns dient, schmiegt in gefaltete Tücher
was uns aus Rosen ergriff und was in Rosen versank.
FÜR VERONIKA ERDMANN
Daß solcher Auftrag unser Auftrag werde,
wieviel Gehorsam, wieviel Frohn.
Ach, zwischen unseren Zeilen singt die Erde
und reißt uns weiter vom Geräusch zum Ton.
Oder ist es der Widerstand, der besser
in uns den gültigen Vollzug erzieht?
Der Liebendste: ein Mörder ohne Messer?
Und das Bedrohteste des Lebens: Lied?
SPIELE
Hier ist ein Spiel von Frag und Antwort, das,
alt wie es ist, uns nicht mehr kümmern sollte.
Ein kleiner Liebes-Würfel fiel und rollte
und zeigte eine Zahl … . Man wurde blaß
und warf ihn wieder und noch einmal aus …
Da fiel der kleine Würfel durch die Platte
des Tisches durch und fiel durchs ganze Haus
der Schwerkraft zu, die ihn gezogen hatte.
Daß wir dem Fallen etwas unterschieben,
macht seinen Niederfall erst leserlich.
Glaub an den Tisch, so zeigt der Würfel: SIEBEN.
Glaub an ihn selbst, weil ihn das Schicksal heiligt.
Nimm doppelt teil: denn er ist unbeteiligt,
und sagst du DU, so sagt er niemals ICH.
Die Vogelrufe fangen an zu rühmen.
Und sind im Recht. Wir hören lange hin.
(Wir hinter Masken, ach, und in Kostümen!)
Was rufen sie? ein wenig Eigensinn,
ein wenig Wehmut und sehr viel Versprechen,
das an der halbverschlossnen Zukunft feilt.
Und zwischendurch in unserm Horchen heilt
das schöne Schweigen, das sie brechen.
Wer kann Amber schenken! Wem gehört er?
Unsichtbar und stärker als das Haus,
geht er leicht und wie ein ungestörter
Gott aus heimlichem Gehäuse aus.
Bleibt und schwindet, schwindet, bleibt und schwindet.
Vielleicht ist er dem Gedicht verwandt,
welches, zitternd in des Lesers Hand,
unberührt von dem, was er empfand,
sich schon wieder in sich selber bindet.
Unsichtbares anregt und zurück
fällt in die Verteilung seiner Zeilen.
Unvermindert, heiter wie ein Heilen:
Glück in sich und kaum noch unser Glück.
Bruder Körper ist arm … : da heißt es, reich sein für ihn.
Oft war er der Reiche: so sei ihm verziehn
das Armsein seiner argen Momente.
Wenn er dann tut, als ob er uns kaum noch kennte,
darf man ihn leise erinnern an alles Gemeinsame.
Freilich wir sind nicht Eines, sondern zwei Einsame:
unser Bewußtsein und Er;
aber wie vieles, das wir einander
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