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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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täusche
und als hörte niemand ihn,
kommt die Stille und die Geräusche
vom Weiterrücken und Niederknien;
die Türe schlägt zurück an die Schwelle
hinter einem der kam oder ging,
und es schwankt ein wenig Helle
aus den Lampen, wie ein Wink …

    Aber da singen und singen sie schon:
singen wie seit vielen Stunden,
mit den armen müden Munden
an das lange Lied gebunden
und geschleift von Ton zu Ton;

    singen wie seit langen Jahren,
Jahren die ohne Ende waren;
singen wie mit ihren Haaren,
wie mit dem was man verbarg.
Ihre Stimmen haben lichte
halbverwischte Angesichte
wie sie sich zum Welt-Gerichte
heben werden, Sarg für Sarg.

    Plötzlich geht aus allen eine
ganz allein hervor, empor – :
eine bleiche leichte kleine,
zu dem Wunder, zu dem Wohle –.
Und sie hält sich wie das Hohle
einer Muschel Gott ans Ohr.

    Durchscheinendes Dunkel schwankt im Wind,
und die Nacht wird regnen.
Von den Dingen die um uns sind
wird uns nichts begegnen.
Aber Fernes wird im Kreis
wartend um uns verweilen.
Heiß mich nicht erschrecken, heiß
mich alles mit ihm teilen.

    Werd ich vergessen? Und wenn irgendwas
viel später zu mir kommt und mich daran
erinnert: werd ich fremdhin fragen – : wann –?
Kann Leben heißen: zu vergessen, daß

    mir Seligkeit, endlose unverkürzte
an einem Tage ward der rasch verrann
und daß dein Wesen sich in meines stürzte
aus deinen Augen, da ich kaum begann
dich anzusehn. Ich weiß von dir nicht mehr;
nur kommen mußtest du um jeden Preis,
und eine Stelle in mir ist jetzt leer
für alles das von dir was ich nicht weiß.

    DIE NACHT DER FRÜHLINGSWENDE
(Capri, 1907)

    Ein Netz von raschen Schattenmaschen schleift
über aus Mond gemachte Gartenwege,
als ob Gefangenes sich drinnen rege,
das ein Entfernter groß zusammengreift.

    Gefangner Duft, der widerstrebend bleibt.
Doch plötzlich ists, als risse eine Welle
das Netz entzwei an einer hellen Stelle,
und alles fließt dahin und flieht und treibt … .

    Noch einmal blättert, den wir lange kannten,
der weite Nachtwind in den harten Bäumen;
doch drüber stehen, stark und diamanten,
in tiefen feierlichen Zwischenräumen,
die großen Sterne einer Frühlingsnacht.

    Laß einen Tag, der zögert vor dem Regen
und dessen lautloses Sichumdichlegen
nur dann und wann ein Hahnruf unterbricht,
laß einen solchen Tag dein Angesicht
hinhalten vor das frohe Rosasein
der kleinen Pfirsichbäume das wie ein
Weinen aus Freude ist
still überfließend.

    MARIONETTEN-THEATER
(Furnes, Kermes.)

    Hinter Stäben, wie Tiere,
türmen sie ihr Getu;
die Stimme ist nicht die ihre,
aber sie ziehn dazu
ihre Arme und Schwerter
ungemein und weit,
(findige Verwerter
dessen was grade schreit.)

    Sie haben keine Gelenke
und hängen ein wenig quer
und hölzern im Gehenke,
aber sie können sehr
töten oder tanzen
oder auch im Ganzen
sich verneigen und noch mehr.

    Auch pflegen sie kein Erinnern;
sie machen sich nichts bewußt,
und von ihrem Innern
gebrauchen sie nur die Brust,
um manchmal darauf zu schlagen
als schlügen sie sie ein.
x(Sie wissen, dieses Betragen
ist deutlich und allgemein.)

    Ihre großen Gesichter
sind ein für alle Mal;
nicht wie die unsern: schlichter,
dringend und ideal;
offen wie beim Erwachen
mitten aus einem Traum.
Das giebt natürlich Lachen
draußen in dem Raum,
aus dem die von den Bänken
sehn
wie sich die Puppen kränken
und schrecken und an Schwänken
in Bündeln zu Grunde gehn.

    Wenn einer es anders verstände
und säße und lachte nicht:
ihr einziges Stück verschwände
und sie spielten ihr jüngstes Gericht.
Sie rissen an ihren Schnüren
herein vor die kleinen Coulissen
die Hände von oben, die Hände,
die immer versteckten, entdeckten
häßlichen Hände in Rot:
und stürzten aus allen Türen
und stiegen über die Wände
und schlügen die Hände tot.

    DER GOLDSCHMIED

    Warte! Langsam! droh ich jedem Ringe
und vertröste jedes Kettenglied:
später, draußen, kommt das, was geschieht.
Dinge, sag ich, Dinge, Dinge, Dinge!
wenn ich schmiede; vor dem Schmied
hat noch keines irgendwas zu sein
oder ein Geschick auf sich zu laden.
Hier sind alle gleich, von Gottes Gnaden:
ich, das Gold, das Feuer und der Stein.

    Ruhig, ruhig, ruf nicht so, Rubin!
Diese Perle leidet, und es fluten
Wassertiefen im Aquamarin.
Dieser Umgang mit euch Ausgeruhten
ist ein Schrecken: alle wacht ihr auf!
Wollt ihr Bläue blitzen? Wollt ihr bluten?
Ungeheuer funkelt mir der Hauf.

    Und das Gold, es scheint mit mir verständigt;
in der Flamme hab ich es gebändigt,
aber reizen muß ichs

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