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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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hinzuheben
in den Götterhimmel Griechenlands – .

    Wie dunkeln und rauschen im Instrument
die Wälder seines Holzes.

    FÜR LIA ROSEN

    Wer weiß denn was wir werden? Daß wir sind,
ist ein Gerücht an das wir wieder glauben
sooft wir fühlen: einmal war ich Kind.
Doch schon das Nächste kommt zu groß und rinnt
durch uns wie Wind im Herbst durch leere Lauben.

    FÜR HERBERT STEINER
geschrieben, um sein Gedicht zu erwidern./ Venedig/ Nov. 1907.

    Vertrau den Büchern nicht zu sehr; / sie sind
Gewesenes und Kommendes. / Ergreife
ein Seiendes. / So wird auch deine Reife
nicht alles sein. / Denn da ist jeder Kind,

    wo Dinge stehn, unendlich überragend
was sich in uns zu mehr zusammennimmt.
Wir raten nur und sagen alles fragend,
sie aber gehn in sich und sind bestimmt.

    Und wenn du auch dein Leben so begannst
als solltest du’s in Stunden überwinden:
im Kleinsten wirst du einen Meister finden,
dem du tiefinnen nie genugtun kannst.

    Wir müssen immer wie die schwangern Frauen
vorsichtig um die Ecken gehn und leiden
daß Bilder plötzlich uns ins Werden sinken, –
um immer mehr von denen uns zu scheiden
die bei dem vielen In-die-Bücher-Schauen
gewohnt sind, alles aufgelöst zu trinken
anstatt den Kern der Wirklichkeit zu kauen.

    Tage, wenn sie scheinbar uns entgleiten,
gleiten leise doch in uns hinein,
aber wir verwandeln alle Zeiten;
denn wir sehnen uns zu sein … .

    In dem Wiedersehn mit Kindheitsdingen
lernen wir uns wiedersehn:
zwar wir wußten, daß die Jahre gingen,
doch nun fühlen wir auch, wie wir gehn.

    Wüßten wir um welcher Dinge willen
wir die Tage so und so die Nächte
oft verbringen – : keiner dächte
heimlich seinen Schmerz zu stillen;
jeder wollte, daß er einen Schrei
aus dem Leiden innen in sich forme,
drin das eingenommene Enorme
wie im Vogel-Rufe gültig sei.

    Wehmut will uns zwingen zuweilen
zu gedenken, wie er verrann;
aber es schimmert in seinen Zeilen
ganz als bräche er ewig an.

    NÄCHTLICHER GANG

    Nichts ist vergleichbar. Denn was ist nicht ganz
mit sich allein und was je auszusagen;
wir nennen nichts, wir dürfen nur ertragen
und uns verständigen, daß da ein Glanz
und dort ein Blick vielleicht uns so gestreift
als wäre grade das darin gelebt
was unser Leben ist. Wer widerstrebt
dem wird nicht Welt. Und wer zuviel begreift
dem geht das Ewige vorbei. Zuweilen
in solchen großen Nächten sind wir wie
außer Gefahr, in gleichen leichten Teilen
den Sternen ausgeteilt. Wie drängen sie.

    DIE KARYATIDEN

    In dieser Luft, die glatt war von Gymnasten
und von dem Gehen junger Sieger bebend,
stehn sie noch immer, mit den eingefaßten
Stirnen das Kranzgesimse weitergebend

    an ihre Haltung, die es lastlos trägt.
Der welke Marmor fällt schon ins Fossile,
doch, von dem Schatten der Gebälkprofile
durchsichtig schwebend überschrägt,
sind ihre Angesichter noch vom Saft
gefüllter Sinne süß. Die Wangen reifen
das Glänzen, das die Munde nicht begreifen.
Die Augen sind für Götter aufgegafft,
und von den ruhigen Schultern fließt in Streifen
der ewige Überfluß der Jungfrauschaft.

    DER KRANKE KNABE

    Durch eine leise Wendung in den Kissen
kam sein Gesicht der Stube zu und sah
die Gegenstände an: sie waren da.
Es schien ihm: dies ist alles was wir wissen.

    Doch auch auf dies, sobald man lag und Tage
hinschaute ohne Sinn, war kein Verlaß:
eins ballte sich und eins gab nach. Das Vage
stieg aus den Spiegeln. Aber wo war das

    bei dem man ruhig bleiben durfte immer?
Wenn manchmal selbst der eignen Hand Geruch
unfaßlich war oder im Nebenzimmer
die lieben Stimmen wertlos wie Besuch.

    DIE LIEBENDEN

    Sieh, wie sie zu einander erwachsen:
in ihren Adern wird alles Geist.
Ihre Gestalten beben wie Achsen,
um die es heiß und hinreißend kreist.
Dürstende, und sie bekommen zu trinken,
Wache und sieh: sie bekommen zu sehn.
Laß sie ineinander sinken,
um einander zu überstehn.

    » … . MAIS QUELLE SERA LA VIE D’UNE JEUNE FILLE BOITEUSE? … «
(Aus einem Briefe)

    Wer wird sie sein, wenn einmal das Gebrechen,
das sie jetzt trägt wie eine kurze Laune
zu der ein Kind erfindend sich verstellt,
ihr gleicht und immer nachgeht im Geraune?
Und sie, als Mädchen, wird vor aller Welt
auf ihren Stock gestützt, versprechen

    sich still zu halten. Wird ihr Mund
von des Verzichtes Bitterkeit sich biegen?
Wird sie die Nächte neidisch liegen,
um tags von Wünschen sich gesund
täuschen zu lassen? (Oder wird sie siegen?)

    Denn dieser kleine wehe Unterschied
mit dem sie aufwächst, der bei jedem

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