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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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um den Stein.
Und auf einmal, um den Stein zu fassen,
schlägt das Raubding mit metallnem Hassen
seine Krallen in mich selber ein.

    SONNEN-UNTERGANG
(Capri)

    Wie Blicke blendend, wie eine warme Arene,
vom Tage bevölkert, umgab dich das Land;
bis endlich strahlend, als goldene Pallas-Athene
auf dem Vorgebirg der Untergang stand,
verstreut von dem groß ihn vergeudenden Meer.
Da wurde Raum in den langsam sich leerenden Räumen;
über dir, über den Häusern, über den Bäumen,
über den Bergen wurde es leer.

    Und dein Leben, von dem man die lichten Gewichte gehoben,
stieg, soweit Raum war, über das Alles nach oben,
füllend die rasch sich verkühlende Leere der Welt.
Bis es, im Steigen, in kaum zu erfühlender Ferne
sanft an die Nacht stieß. Da wurden ihm einige Sterne,
als nächste Wirklichkeit, wehrend entgegengestellt.

    SKIZZE ZU EINEM SANKT GEORG
Aus dem Besitze der Fürstin
    Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe

    Weil er weißglüht, weil ihn keiner ertrüge,
halten ihn die Himmel immer verborgen.
Denk: es bräche plötzlich das Vordergebüge
und die Roßstirn durch den wolkigen Morgen
über dem Schloßpark. Und zu der alten Allee
niederstiege, vorsichtig tretenden Tanzes,
im Panzer das Pferd, langsam, die Bahn seines Glanzes
mit der Rüstung pflügend wie Schnee.
Während, silberner über dem silbernen Tier,
unberührt von der Kühle und Trübe,
sich der Helm, vergittert und spiegelnd, hübe:
Früh-Wind in der schwingenden Zier.
Und im steileren Abstieg würde der ganze
Silberne sichtbar, klingend von lichtem Gerinn;
durch den erhobenen Henzen wüchse die Lanze,
ein einziges Glänzen, wer weiß bis wohin –
aus dem stummen, sich um ihn schließenden Park.

    Nein, ich will nicht, daß man mich zerstört,
und ich bete, daß ich nicht erblinde
innen, wo die Tiefen sind, die tragen,
und ich brauche selbst ein wenig Ruhm,
nur damit man mich einst wiederfinde
würdig deiner um von mir zu sagen:
Dieser Spiegel war ihr Eigentum
und er hat ihr eine Zeit gehört
und es geht um seinen Silbergriff
immer noch die Sage ihrer Hände
und wer das Unendliche verstände
fände ihre Schönheit in dem Schliff
dieses Spiegels, – den sie weiterschenkte
an den einsamen Engel, daß er drin
die noch viel zu fernen Feuer finge〈und〉 den Glanz vom Aufgang Gottes lenkte
über Dunkelnde und Dinge hin.

    DIE GETRENNTEN

    Mehr als Verlorene; mir mehr als tot, –
Verwandelte in einen andern Namen,
den ich nicht weiß; der mir nicht einmal droht:
wann war es, daß mir keine Worte kamen
und daß ein Lähmen mir verbot,
dich anzurufen, da du mir zergingst,
die du mich manchmal jetzt, als immer Ferne,
zu dir hinan, so wie zu einem Sterne,
den ich nie sehen werde, ziehst und zwingst.

    Wer bist du jetzt in deiner fremden Ehe,
aus der du vielleicht nie hinübersiehst?
Wir haben eins gemeinsam: ich geschehe
in meiner Einsamkeit, und du geschiehst –

    Mehr weiß ich nicht von keinem von uns beiden.
Und dennoch ist vielleicht ein Engel, der
es jetzt noch schwer hat, uns zu unterscheiden.
Er aber wird auch wissen, ob wir leiden.

    Vor Zeiten, einst, ein Herz gewesen sein
in langer mühsamer Metamorphose,
und endlich nahe an der Fensterrose
inständig stehen, um im Stein
unsäglich unbeirrt mit langer Kraft
weiterzutragen die beklommnen Wonnen
und alles Wehe, das ja nur begonnen,
nur aufgeschlagen war, anfängerhaft.

    Und jetzt es können und es plötzlich ganz
aushalten, wenn es kommt und gar nicht endet,
seiner Gewalt und seinem Glanz
entschlossen überstehend zugewendet, –

    es können plötzlich, lautlos das vollenden
was wir, zu groß für uns, beginnen sehn,
und lächelnd, in der einen von den Blenden,
alles, bis an die Engel, überstehn.

    Fühlst du nicht wie wir uns unbegrenzter
in dem allen immer wiederholen?
Meinst du nicht, es muß das Mittelfenster
in dir aufblühn? Kennst du der Konsolen

    Wirrnis nicht, auf denen immer grader
die Vollbrachten ragen, hingezeigt.
Hast du nicht in einer jeden Ader
solchen Epheu, der dein Herz ersteigt?

    Diese Hockenden am Rand der Rampen,
diese Übertriebnen, dieses Tier,
diese Jungfraun mit den kalten Lampen,
diese Stücke Engel, das sind wir;

    diese Auferstehenden zuletzt,
die sich zweifelnd noch im Steigen stauen;
und wir sind auch unter diese grauen
aufgereihten Könige gesetzt,

    die so reglos stehn in den beschuppten
Panzern und den Kronen, zu und gleich:
weil dereinst aus jedem der Verpuppten
auszufliegen hat ein reifes Reich.

    Siehe der Dichter: ihn trug das Geschaute
weil er sich

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