Die Gefaehrtin des Jaguars
waren. „Als Jordan und Olaf zu kämpfen anfingen, haben alle innegehalten. Und das war nicht, weil Olaf geblutet hat.“
Spike hob Jordan höher auf seine Schulter. „Jordan hat dominantes Verhalten gezeigt.“
„Was bedeutet das? Ist es ein Problem?“
Ella antwortete. „Unsere Familie sollte eigentlich nicht besonders dominant sein. Nur ich und Spike sind übrig. Aber Jordans Verhalten hat gezeigt, dass wir vielleicht nicht so tief unten in der Hackordnung angesiedelt sind, wie viele glauben. Jordan hat aus reinem Instinkt heraus gehandelt, weil er es nicht besser weiß, aber das zeigt, dass Spike sich all die Jahre zurückgehalten hat.“
„Wenn Jordan etwas älter ist, wird er ernsthaft zu kämpfen beginnen“, sagte Spike. Er klang, als ob er nicht wisse, was er davon halten solle. Sollte er stolz sein? Oder sich Sorgen machen?
Ella grinste. „Willkommen in meiner Welt. Einen Krieger ganz allein aufzuziehen war nicht gerade einfach, besonders nicht in der Wildnis.“
Spike blieb still. Sein Gesicht verriet keinerlei Gefühle, oder vielleicht lag es an den Schatten, denn es wurde bereits dunkel.
Als sie das Haus erreichten, nahm Ella Jordan und erklärte, dass sie ihn ins Bett bringen würde. Das Kind war so erschöpft, dass Ella ihn wie ein Pelzbündel über die Schulter gelegt in sein Zimmer trug.
Sie ging, weil sie wollte, dass Myka und Spike sich unterhielten. Myka konnte das allein schon an der Haltung ihres Rückens sehen, während sie sich von ihnen entfernte.
Myka hatte den leidenschaftlichen Kuss immer wieder aufs Neue durchlebt, seit Spike sie an sich gezogen hatte. Jetzt, da sie allein waren und er ihr so nah, konnte sie an nichts anderes mehr denken.
Worüber auch immer Spike sich Gedanken machte, es führte ihn zum vorderen Fenster, von wo aus er auf den Rasen blickte, der mit einer beginnenden Braunfärbung das Kommen des Winters ankündigte. Der Drache auf seinem Rücken war unter seinem Hemd verborgen. Die Flügel breiteten sich über seine Armen hinab aus und flossen um die Jaguare herum, die von der anderen Seite kamen. Bevor er mit Liam zum Haus der Morrisseys gegangen war, hatte er nochmals die Kleidung gewechselt, und Myka fragte sich, ob er dieses Mal Unterwäsche trug.
„Ich sollte heimfahren“, erklärte sie, selbst überrascht von ihrem Zögern.
Spike drehte sich abrupt um. „Warum? Du hast doch gesagt, du bleibst?“
Die Intensität in seiner Stimme ließ sie einen Schritt zurückweichen. „Ich dachte, du meinst, um dir zu helfen, wenn du jemanden brauchst, um auf Jordan aufzupassen. Deine Großmutter ist hier, und du kannst besser für ihn sorgen, als ich gedacht hatte. Ich muss morgen zu den Ställen.“
„Aber ich muss heute Nacht noch weg.“
„Oh. Wohin? In Liams Angelegenheiten?“
„Teilweise in Liams Angelegenheiten.“ Er wurde still und nachdenklich. „Und teilweise nicht.“
Myka hakte die Daumen in die vorderen Hosentaschen. „Dich heute mit Liam hier allein zu lassen hat mich nervös gemacht. Warum war er so sauer auf dich? Weil du nach Hause zu deinem Jungen wolltest?“
„Weil ich ihm nicht zuerst Bericht erstattet habe. Meine erste Loyalität sollte dem Anführer von Shiftertown gehören – egal, was sonst los ist. Aber seit letzter Nacht denke ich: zum Teufel damit.“
„Wegen Jordan.“
„Ja, seinetwegen.“ Spike berührte seine Brust. „Etwas ist in mir erwacht, als ich ihn gesehen habe. Etwas … das ich nicht kenne.“
„Kinder bedeuten eine große Verantwortung“, versuchte sich Myka an einer Erklärung. Aber sie wusste, das war nicht, was er gemeint hatte.
„Ich möchte ihn mit allem, was ich habe, beschützen. Wenn das bedeutet, dass ich Liam sagen muss, er soll sich zum Teufel scheren, dann werde ich das tun.“
Myka kannte Spike weniger als vierundzwanzig Stunden, aber sie begann schon, die Meinung, die sie von ihm hatte, zu revidieren. Letzte Nacht hatte sie sich Sorgen gemacht, dass er Jordan nicht würde haben wollen und auch dass der Junge ihn so ärgern könnte, dass er zu einem Mann wie ihrem Stiefvater werden würde.
Mykas Stiefvater hatte nach dem Tod ihrer Mutter die einfachsten Mittel benutzt, um sich von seiner Wut und seinem Schmerz zu befreien – er hatte sie an Myka ausgelassen. Er hatte Myka um sich haben wollen als Erinnerung an ihre Mutter, die er geliebt hatte. Gleichzeitig hatte er es gehasst, durch sie ständig daran erinnert zu werden, was er verloren hatte. Myka hatte jemanden gebraucht, an
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