Die Gefährtin Des Lichts erbin2
Mir schien, dass er wesentlich länger als nötig brauchte, um mich zu meiner Pritsche zu tragen. Er war sehr warm.
Er legte mich hin und fesselte mich. Dabei ließ er die Manschette locker, damit ich mich wieder befreien konnte.
»Morgen«, sagte er.
Seine Stimme riss mich aus meinen Träumen. »Nein. Sie könnten wieder anfangen, mir Blut abzuzapfen. Wir sollten jetzt oder am frühen Morgen gehen.«
»Du musst stärker werden.« Die Tatsache, dass ich mich auf seine Stärke nicht verlassen konnte, blieb unausgesprochen. »Außerdem kann ich meine Macht nachts nicht einsetzen. Nicht einmal, um dich zu beschützen.«
»Oh«, sagte ich und kam mir dumm vor. »Richtig.«
»Nachmittags wäre am besten. Die Sonne ist dann nicht von den Dreien verdeckt. Das könnte einen kleinen Vorteil bedeuten. Ich werde tun, was ich kann, damit sie bis dahin nichts mehr von deinem Blut abnehmen.«
Ich streckte meine Hand aus und berührte sein Gesicht. Dann glitt meine Hand zu seinem Hemd und dem erstarrten Fleck darauf. »Du bist heute Abend wieder gestorben.«
»Ich bin in den letzten Tagen oft gestorben. Dateh ist völlig fasziniert von meiner Fähigkeit, wiederaufzuerstehen.«
Ich runzelte die Stirn. »Was ...« Aber nein. Ich konnte mir ohne große Schwierigkeiten vorstellen, was Dateh ihm angetan hatte. Ich kramte in meinen verschwommenen Erinnerungen an die Tage seit Maddings Tod und erkannte: Dies war nicht das erste Mal, dass Sonnenschein tot, sterbend oder blutverschmiert ins Zimmer zurückgekehrt war. Kein Wunder, dass von unseren Geiselnehmern keine Reaktion erfolgt war, als ich selbst ein Loch in ihn hineingeblasen hatte.
Es gab so viele Dinge, über die ich nachdenken wollte. So viele unbeantwortete Fragen. Wie genau hatte ich Sonnenschein getötet? Zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Farbe, noch nicht einmal Holzkohle. Lebten Paitya und die anderen noch? Mad- dmg, mein Madding. Nein ... er nicht. An ihn durfte ich nicht denken. Wenn mein Plan von Erfolg gekrönt war, würde ich versuchen, Nemmer, die Göttin des Verborgenen, zu finden. Sie würde uns helfen.
Ich würde dafür sorgen, dass die Mörder Maddings aufgehalten wurden, und wenn es das Letzte war, das ich tat.
»Dann weck mich am Nachmittag«, sagte ich und schloss die Augen.
14
»Flug«
(Enkaustik/ Kohle/ Metallradienung)
Es gab Komplikationen.
Der nächste Tag war wärmer als sonst und der erste richtige Vorgeschmack auf den Frühling in diesem Teil von Senm. Am Nachmittag fielen Sonnenstrahlen genau in unser Zimmer, und ihre Wärme lullte mich ein. Dadurch erwachte ich nur langsam. Zum Glück, denn sonst hätte ich mich möglicherweise bewegt und dadurch verraten. Bevor es so weit kam, sprach jemand. Ich erkannte, dass Sonnenschein und ich nicht allein im Zimmer waren.
»Lass mich los.«
Mir gefror das Blut in den Adern. Hado. Spannung lag in der Luft und vibrierte über meine Haut wie ein unangenehmes Jucken. Doch ich verstand diese Spannung nicht. Zorn? Nein.
»Lass los oder ich rufe die Wachen. Sie stehen genau vor der Tür.«
Das Geräusch einer schnellen Bewegung von Fleisch und Stoff. »Wer bist du?« Das war Sonnenschein, aber ich erkannte kaum seine Stimme. Sie zitterte und schwankte zwischen Verlangen und Verwirrung.
»Nicht, wer du glaubst.«
»Aber ...«
»Ich bin ich selbst.« Hado sagte das so angriffslustig, dass ich beinahe zusammengezuckt wäre. »Für dich nur ein weiterer Sterblicher.«
»Ja ... ja.« Die Emotion in Sonnenscheins Stimme ebbte ab. Er klang wieder mehr nach sich selbst. »Das sehe ich jetzt auch.«
Hados tiefer Atemzug war so zittrig, wie Sonnenscheins Stimme es gerade noch gewesen war. Dann ließ die Spannung ein wenig nach. Stoff bewegte sich. Hado kam zu mir herüber und warf einen Schatten auf mein Gesicht. »Hat sie heute Anzeichen von Erholung gezeigt? Vielleicht gesprochen?«
»Nein und nein.« Das war noch steifer als sonst, sogar für Sonnenscheins Verhältnisse. Die Weißen Hallen lehrten, dass der Bright Lord nicht lügen kann. Ich war erleichtert, dass er es doch konnte, auch wenn es ihm ganz und gar nicht behagte.
»Sie werden heute Abend wieder anfangen, Blut abzunehmen. Hoffentlich ist sie bis dahin stark genug.«
»Dadurch wird sie höchstwahrscheinlich sterben.«
Hado seufzte. »Jetzt, da der Nypri damit angefangen hat, muss er sich beeilen, um seinen Plan in die Tat umzusetzen.« Hados Hand streichelte plötzlich mein Gesicht und strich mein Haar zurück. Über diese
Weitere Kostenlose Bücher