Die Gefährtin des Medicus
Papstes, wusstest du das nicht? Er hat ein eigenes
Domus
bezogen, gemeinsam mit seinem Bruder, der für den Einkäufer des Hofes arbeitet.«
Alaïs war verwirrt. Emy war in den letzten Wochen mehrmals zu Giacintos Haus gekommen, doch sie hatte ihn nicht empfangen – weniger von Stolz davon zurückgehalten, als von Kopfschmerzen und Müdigkeit.
»Nun mach schon!«, drängte Marguerite, um ihr dann mit knappen Sätzen zu beschreiben, wo sich das
Domus
befand.
Alaïs fühlte sich unwohl, als sie kurz darauf allein durch die Dunkelheit lief. An Marguerites Seite hatte sie sich nie davor gefürchtet, was in den engen, finsteren Gassen lauern mochte – erst jetzt malte sie sich aus, wie sie in die Hände finsterer Diebe oder Frauenschänder fiel. Sie lief umso schneller, und als sie in der Nähe des Papstpalastes ankam, keuchte sie. Die Häuser hier sahen alle gleich aus. Die Holzbalken, die über die Fenster gezogen waren, glotzten sie wie schwarze Augen an.
Und alles nur wegen dieses trunkenen Priesters, dachte sie, während sie sich unsicher umblickte, sich jedoch nicht entscheiden konnte, an welchem der Häuser sie anklopfen sollte.
»Emy!«, schrie sie einfach.
Marguerite hatte sie zwar angewiesen, Aurel herzubringen, aber sie zögerte keinen Augenblick, zunächst nicht bei ihm, sondern bei dessen Bruder Hilfe zu suchen.
»Emy!«
»Willst du wohl still sein?«, keifte jemand aus einem der Häuser. »Hör zu schreien auf!«
Dem Befehl folgte sie nur allzu gerne. So schnell stirbt man nicht am Wein, dachte sie, indessen sie sich schon wieder zum Gehen wandte. Seit wann braucht ein Besoffener einen
Cyrurgicusl
Doch dann öffnete sich quietschend eine Türe.
»Was ist passiert, Alaïs?«, fragte Emy.
Wenig später waren sie zu dritt auf dem Weg zu jener Stätte, wo sie zuvor den Betrunkenen gefunden hatten, am mürrischsten nicht länger Alaïs, sondern Aurel, der von seinem Bruder geweckt worden war. Laut bekundete er, was auch Alaïs durch den Kopf gegangen war: dass man an Wein nicht stürbe, und seit wann ausgerechnet das Wohl eines Betrunkenen in seinen Händen läge.
»Wenn dieser Priester tatsächlich ein Verwandter von Gasbert de Laval ist, solltest du ihm beistehen«, mahnte Emy, »ganz gleich, woran er leidet. Gasbert de Laval verachtet dich.«
»Na und?«, schnaubte Aurel, und obwohl Alaïs ihn lange nicht gesehen hatte, war ihr der verächtliche Ton seiner Stimme so vertraut, als hätte er fortwährend in ihren Ohren getönt. »Was habe ich als Leibarzt des Papstes mit ihm zu schaffen?«
Oft hatte sie sich vorgestellt, ihn wiederzusehen. Anfangs, um ihm ihre ganze Wut ins Gesicht zu schleudern, später, um hochmütig über ihn hinwegzusehen, zuletzt, um ihm aufmüpfig vorzuhalten, dass sie ohne ihn viel besser lebte – umgeben schließlich von Männern, die lieber tanzende Frauen sahen als verreckende Kranke. In jedem Fall hatte sie den Moment des Wiedersehens auskosten wollen, ihm stolz und erhaben begegnen. Doch die Hast und die nächtliche Kälte vertrieben jeden Anflug von Triumph.
»Also«, fragte Aurel wieder, »was habe ich mit Gasbert de Laval zu schaffen?«
»Er ist der Kämmerer«, erklärte Emy eindringlich. »Jedermann, der zum Hofstaat gehört, hat mit ihm zu schaffen.«
Als sie die Gasse im Judenviertel erreichten, war diese leer. Weit und breit war keine Spur von Marguerite und dem Priester zu sehen.
»Was für eine Verschwendung von Zeit!«, knurrte Aurel.
Alaïs nickte grimmig.
Emy hingegen zuckte die Schultern.
Doch dann regte sich ein Schatten an der Schwelle eines Hauses.
»Hierher!«, rief Marguerite. »Kommt hierher!«
Alaïs folgte ihr verwirrt. Wie hatte es Marguerite nur geschafft, den Betrunkenen dorthin zu schaffen?
Aurel schien darauf schon eine Antwort gefunden zu haben. »So schlimm kann es um ihn nicht stehen, wenn er immerhin schon wieder gehen kann«, sagte er misslaunig.
Hätte ich bloß nicht auf Marguerite gehört, ging es Alaïs durch den Kopf. In ihren Schläfen begann es schmerzhaft zu pochen, und ihre Augenlider wurden immer schwerer.
Marguerites Stimme klang freilich immer noch panisch. »Kommt schnell her! Seht euch das an!«
Im Haus, in das sie den Priester geschafft hatte, war es stockfinster, und als Alaïs es betrat, stieß sie prompt gegen einen Gegenstand, der laut krachend zu Boden fiel.
»Verflucht …«
Doch dann hob Emy seine Fackel und das einstöckige
Domus
stand im warmen Licht. Der Raum, der sich vor ihnen auftat, war
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