Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
schweißig und warm. Sie glaubte sie auch dann noch zu spüren, als er schon losgelassen hatte, und trank so schnell, dass ihr hernach schwindelte. Und wieder berührte er sie, diesmal, indem er sie vermeintlich stützte. Als sie später auf ihre Schulter sah, gewahrte sie dort die Abdrücke seiner feuchten Hände. Sie schwankte zwischen Ekel und geheimem Kitzel. Letzterer gewann schließlich die Oberhand, denn wo immer sie in den nächsten Tagen auftauchte, war er bereits und wartete auf sie. Dass er sein Leben oder zumindest die Nächte auf sie allein ausrichtete, schmeichelte ihr.
    Als er am dritten Tag mit weinerlichem Ton gestand, er müsse am nächsten Morgen von ihr scheiden, bedauerte sie es aufrichtig. Und als er sie schließlich zu sich zog, um sie zu küssen, wehrte sie sich nicht, obwohl sein Atem säuerlich roch und seine Lippen weich und fleischig waren. Mit malmenden Bewegungen machten sie sich über die ihren her. Der Atem wurde ihr knapp, so fest war sein Gesicht an ihres gepresst. Noch machte es ihr nichts aus, noch dachte sie trotzig an Aurel. Siehst du!, hätte sie ihm amliebsten zugerufen. Diesen Mann hier muss ich nicht zwingen, mich anzufassen. Nicht gewaltsam muss ich mich auf ihn hocken, auf dass er mir nicht entkommt! Nicht kämpfen muss ich, um ihn zu küssen, so wie ich bei dir darum gekämpft habe!
    Doch Aurel hatte sie nie geküsst. Tiefer Ekel hatte sie zurückgehalten. Ekel, der sie auch jetzt befiel. Bei Aurel hatte ihn dessen Steifheit heraufbeschworen, bei Christophe der weiche, fette Leib, der förmlich zu zerlaufen schien, als er nun an sie gepresst war. Und so unterschiedlich die Männer auch waren, der Widerwille gegen sie schmeckte gleich.
    Sie begann, sich in seinem Griff zu winden. Er merkte jenen Widerstand nicht, machte ungerührt weiter. Doch noch bevor sie ihn verstärken konnte, kam ihr eine andere zuvor.
    Marguerite hatte sie am Arm gepackt und fortgezerrt, noch ehe sie sich selbst befreien konnte. Christophe protestierte, gleichwohl auch er nur wenig Luft bekommen hatte und nun aufgeregt schnaufte.
    »Das reicht für einmal Abschiednehmen«, erklärte Marguerite schroff. Sie ließ Alaïs nicht los, sondern zog sie aus der Taverne und stieß sie schließlich in die kalte Nachtluft. »Was tust du nur, Alaïs?«
    Gleichwohl erleichtert, dass sie ihn nicht selbst hatte loswerden müssen, fühlte sie sich zurechtgewiesen wie ein kleines Kind. »Was geht’s dich an? Ich habe doch nichts weiter …«
    »Küsst du ihn, will er mehr, dessen kannst du dir gewiss sein. Und mehr solltest du ihm nicht geben.«
    Alaïs hatte viele Gesichter von Marguerite gesehen und sich an viele gewöhnt, das sittenstrenge aber war ihr neu. Sie wusste, dass das, was sie hier trieb – zu tanzen, zu necken, zu trinken –, jemandem wie ihrer Mutter nicht gefallen hätte. Als ehrloses Weib hätte sie sie womöglich beschimpft, als leicht zu verführen und als beim Tanzen weit weniger faul als beim Tagwerk. Doch Marguerite hatte bislang nicht den Anschein erweckt, als steckte sonderlich viel Anstand in ihrem aufgedunsenen Leib.
    »Hör mir gut zu«, fuhr sie nun jedoch streng fort, »denn duscheinst eine zu sein, die lieber erst handelt und dann denkt. Du bist hier, um selbst Zerstreuung zu finden – lass dich nicht dazu herab, die ihrige zu sein.«
    Alaïs starrte sie verständnislos an. »Wer bist du nur?«, entfuhr es ihr.
    »Das Schicksal meinte es gut genug mit mir, dass es mich in der Gosse tanzen lässt, anstatt mich roh darein zu stoßen. Doch für mehr als Gosse, ob tanzend oder fallend, reicht’s eben nicht. Nicht für mich zumindest. Vielleicht wird Roselina irgendwann …«
    »Ja, ja«, schnaubte Alaïs, »die blühende Rose … während du die stinkende Margerite bist … Willst du mir ernsthaft erklären, dass dich nicht die Lust an diesen dreckigen Ort treibt, sondern einzig das Trachten, dich selbst zu beflecken, auf dass sich Roselina noch weißer, noch reinlicher von dir abhebt?«
    Marguerite widersprach nicht, zuckte nur die Schultern. »Ich würde Roselina totschlagen, fände ich sie irgendwann saufend in der Taverne. Du hingegen sollst deinen Spaß meinetwegen haben – treib ihn nur nicht zu weit, auf dass er nicht zu deinem Unglück wird. Wir können an diesem Ort frei lachen und uns im Kreise drehen, weil die Männer hier nur halbe Männer sind, für die schon der Anblick von Weibern Abenteuer genug ist. Hüte dich vor den ganzen. Und hüte dich davor, dein Herz zu

Weitere Kostenlose Bücher