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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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goldene Weinhumpen.
    Beim Mahl thronte der Papst auf einem purpurnen Kissen, indessen der König auf derlei Bequemlichkeit und auch auf den Fußschemel verzichtet hatte. Somit war er, der zur Rechten des Heiligen Vaters saß, deutlich kleiner. Noch niedriger saßen die Würdenträger an den Nebentischen, die, anders als die Tafel des Papstes, nicht mit roten Tüchern bedeckt waren, sondern mit weißen.
    In Strömen war schwerer Wein aus Burgund geflossen, doch ob König Robert jenen Luxus genießen konnte, war zu bezweifeln. Einer seiner Beichtväter war Franziskaner, und jenem sagte man nach, dem König stets mit der Mahnung in den Ohren zu liegen, ein schlichtes Leben zu führen. Königin Sanchia hielt sich in jedem Fall daran, denn die Kleider, die sie trug, waren von einem farblosen, rauen, kratzigen Stoff, mit dem sie aller Welt bekundete, dass die Freuden des hiesigen Lebens bedeutungslos waren im Bemühen um ewiges Seelenheil.
    Das Volk strömte zusammen, als Robert und Sanchia ihre Unterkunft bezogen. Für gewöhnlich residierten sie während ihrer Aufenthalte in Avignon im nahen Sorgue, doch der dortige Palast war bereits an andere Gäste vergeben, weshalb sie im ehemaligen Rathaus nächtigten. Die Menschen verfolgten den langen Zug, der von Rittern in glänzenden Rüstungen angeführt wurde. Und auch, als die gekrönten Häupter längst verschwunden waren, zerstreuten sie sich nicht, sondern durchwachten die halbe Nacht, um sich – die Frommen betend, die weniger Frommen trinkend – auf das eigentliche Fest einzustimmen, das am nächsten Tage folgen würde.
    Dann nämlich sollte der große Dominikanergelehrte Thomas von Aquin heiliggesprochen werden. Wohlwollende Stimmen meinten, es sei dies ein Gefallen, den der Papst dem König bereite – stand jener doch den Bettelorden nahe. Boshafte Stimmen hingegen lästerten, der Papst wolle, indem er einen Dominikaner derart würdigte, vor allem den Franziskanern eins auswischen – insbesondere Michel de Césène, dem Ordensoberen, der kürzlich noch in einer alten Streitfrage verkündet hatte, Christus habe keinen Besitz gehabt, was wiederum der Papst als Häresie verurteilte.
    Dicht gedrängt standen die Würdenträger, Priester und Prälaten an jenem Tag in Notre – Dame des Doms, wo der König die Einleitung zur Predigt, die die Kanonisation empfahl, vortrug, um danach vor dem Papst auf die Knie zu fallen.
    Ausführlich wurde diese Szene später ausgeschmückt, doch noch mehr als das interessierte Alaïs die anschließende Aufforderung des Papstes, dass die Avignoneser nach der Heiligsprechung wie zu Weihnachten feiern sollten. Sie ließ sich das nicht zweimal sagen – genauso wie sämtliche Mägde und Knechte aus Giacintos Haushalt, die ihr Tagwerk ruhen ließen. Auch der Hausherr selbst, in den letzten Monaten häufig unterwegs, hatte jenen Anlass genutzt, wieder einen längeren Aufenthalt in Avignon zu nehmen, und Alaïs sah ihn kurz in der Nähe der prunkvollen Prozession, die nach der Messe von der Kirche zurück zum Papstpalast führte. Er machte allerdings kein staunendes, sondern ein verdrießliches Gesicht. Zwei Reiter hatten ihre Pferde so dicht an ihm vorbeigeführt, dass Dreck an seiner wie immer zu engen Hose hochgespritzt war.
    Jene Reiter waren Genuesen. »Übles, geldgieriges Pack«, hörte Alaïs ihn schimpfen.
    Aus Roquebrune kamen sie oder aus Monaco – beides Grafschaften, die König Roberts Vater Charles Genua überlassen hatte, nachdem er mit der Stadt ein Bündnis gegen die Aragoneser geschlossen hatte. Alaïs konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Wer diese Genuesen waren und dass man sie in Avignonhasste, weil ihnen schlechtes Benehmen nachgesagt wurde, war ihr gleich – doch dass Giacinto, dem sie stets gleichgültig gewesen war, ein derartiges Missgeschick geschah, erfüllte sie mit Schadenfreude. Deutlich kleiner fiel diesmal im übrigen seine Geldbörse aus – war es doch ratsam, den Reichtum an Tagen wie diesen nicht satt zur Schau zu stellen, sondern ihn lieber vor Diebespack zu schützen.
    Dieses mischte sich dreist in die Menge und nutzte Augenblicke wie jenen, da der Papst vom Fenster seines Palastes aus den Segen spendete. Alle starrten dann auf ihn, nur ebenjene nicht, die sich unauffällig durch das Gedränge wühlten und den einen oder anderen Geldbeutel, kostbare Gürtel oder Broschen mitgehen ließen.
    Auf den Segen verzichtete Alaïs, jedoch nicht auf die vielen Straßenfeste, die auch während der kommenden

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