Die Gefährtin des Medicus
Wunde nähen zu können.«
Seine Worte hätten den anderen einschüchtern sollen, aber sie erzielten nicht die erwünschte Wirkung. Anstatt gekränkt zu sein, brach Ludovicus in ein schrilles Lachen aus. Es ließ seinen Stiernacken förmlich anschwellen.
»Du bist ein Betrüger, Javier Autard!«, rief er. »Aber ganz gewiss bist du kein
Cyrurgicus\
Schon gar nicht der des Papstes! Nicht einmal einen Bauern dürftest du behandeln. Nichts bist du, gar nichts!«
Alaïs sah, wie Aurel seine Kiefer aufeinanderrieb – nicht vor Schrecken, wie Emy es nun tat, sondern vor ärger. »Solange ich mit meinen Händen flinker bin als du mit deinen Pranken, Ludovicus, bin ich in jedem Fall mehr wert als du.«
»Ach ja?« Ludovicus' Blick wurde zuerst höhnisch, dann verschlagen. »Und wo ist dann deine
Licentia operandi?«
Aurel schnaubte, blieb jedoch erstmals wortlos. Hoheitsvoll wollte er sich abwenden, doch da hatte Ludovicus ihn bereits gepackt. Mochten seine Hände auch nicht feinfühlig sein – kräftig waren sie auf jeden Fall.
»Du hast die
Licentia
nicht!«, kreischte Ludovicus. »Weil du sie nie bekommen hast! Weil man dich von der Universität verwiesen hat!«
Aurel versuchte, ihm die Arme zu entziehen, und da Ludovicus' Griff unerbittlich war, trat er schließlich mit den Füßen gegen seinen kugeligen Bauch. »Denk nicht, ich lasse mich von dir Straßenköter beißen! Ich stehe nicht nur in den Diensten des Papstes! Ich bin hier Lehrer vieler Studenten. Irgendwann wird die medizinische Fakultät von Avignon den Ruf derer von Montpellier in den Schatten stellen! Und es wird mein Verdienst sein!«
»Das wird ja immer schöner!«, lachte Ludovicus. »Wie vieleMenschen hast du hier wohl an der Nase herumgeführt? Und wie erbost werden sie sein, auf einen Betrüger gesetzt zu haben?«
»Ich musste niemanden betrügen! Weil jeder sehen kann, wie viel ich von der Chirurgie verstehe! Hier zählt nicht eitles Professorengebaren. Hier zählt, ob man einen Menschen zu heilen imstande ist!«
»Ach, und würde es auch noch zählen, wenn man von deiner Vergangenheit wüsste?«
Aurel gab es auf, sich von ihm zu befreien zu suchen, und trat auch nicht mehr gegen ihn. Seine Stimme freilich klang giftiger als noch zuvor. »Versuch’s doch, meinen Ruf zu zerstören! Versuch es nur!«
»Nehmt ihn fest! Nehmt ihn fest!«, kreischte da Ludovicus.
Alaïs fuhr herum. Ob des hitzigen Streitgesprächs hatte sie nicht bemerkt, dass sie längst Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Mehrere Männer rotteten sich in einem Kreis um sie zusammen. Noch schienen sie amüsiert. Einige Ritter waren dabei, und ob Ludovicus’ Forderung brachen sie in prustendes Gelächter aus.
»Er ist ein Quacksalber und Betrüger!«, kreischte Ludovicus wieder, und seine Stimme wurde brüchig.
Die Ritter lachten noch lauter – und Aurel stimmte in ihr Lachen ein. »Du bist hier ein Fremder, ganz anders als ich. Wer sollte auf einen wie dich schon hören?«
Auch Alaïs war nun geneigt, zu lachen. Mochte der Mann auch die Wahrheit sagen – sie für ihren Teil zögerte nicht, ihm zu glauben –, was sollte er damit schon bezwecken können? Vor allem an einem weinseligen Tag wie heute, da manches Wort gesagt wurde, das morgen schon kein Gewicht mehr hatte?
Doch im nächsten Augenblick blieb ihr das Lachen in der Kehle stecken. Auch die Ritter verstummten, selbst Aurel.
»Mich«, sagte Gaufridus Isnardi, »mich würde es sehr wohl interessieren.«
Es war zwei Jahre her, dass Alaïs den Leibarzt des Papstes zuletzt gesehen hatte – damals in der Lagerhalle, wo der schwermutige Laurent sich erholte. Als seine ebenso verdrießliche wie höhnische Stimme erklang, war’s ihr freilich, als hätte sie ihn erst gestern reden hören. Oder vielmehr: über Aurel nörgeln, der es durch Zufall vermocht hatte, den gleichen Rang wie er einzunehmen. Die Bitterkeit darüber schien sich in der Zeit, die vergangen war, nicht gelegt zu haben, und entsprechend begierig suchte er herauszufinden, was sich hier zutrug.
»Was ist geschehen?«
Die Ritter blickten verlegen. Streitigkeiten zwischen Höflingen, die nicht selten in wüste Prügeleien ausarteten, bei denen ihre ganze
Familia
mitmischte, waren ihnen nicht fremd. Mal stritt man sich um die besten und größten Häuser, mal darum, wer mit seiner Kutsche in den engen Gassen die Vorfahrt hatte. Doch was Gaufridus' Aufmerksamkeit auf sich zog, mochte nicht so harmlos und spaßig sein.
»Nichts, was Euch
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