Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
Männer. »Dass wir Euch finden, trifft sich gut. Dieser Mann hier«, er deutete auf den Begleiter, »ist auf der Suche nach Euch. Er ist ein Medicus aus Montpellier und will es sich nicht entgehen lassen, den vielgerühmten
Cyrurgicus
des Papstes …«
    Aurel ließ ihn nicht zu Ende sprechen. Noch ehe die drei ihn erreicht hatten, zog er den Schädel ein, drehte sich um und rannte davon, als würde der Teufel selbst nach ihm jagen.
     
    Alaïs und Emy hatten Mühe, ihm zu folgen. Sie war geübt darin, ihren Ellbogen einzusetzen, um durch Avignons enge Gassen zu kommen, doch heute reichte das bewährte Mittel nicht aus. Die Leute schlugen zurück oder konnten auch dann nicht ausweichen, wenn sie es wollten, weil sie selbst von der Menge Getriebene waren. Erst als sie den Platz de L'Horloge verlassen hatten, ward es etwas lichter – und Aureis Schritte wurden noch zügiger.
    »Wohin rennst du denn?«, rief Alaïs ihm nach. Aurel aber hatte seine Schultern hochgezogen und drehte sich nicht um.
    »Weißt du, was er …?«, setzte Alaïs in Emys Richtung an, während sie Mühe hatte, Schritt zu halten. Emys Gesicht war bleich wie das seines Bruders, doch ehe er antworten konnte, hielt eine zänkische Stimme sie auf.
    »Javier Autard!«, schrie der Mann. »Javier! Musst gar nicht vor mir davonlaufen! Ich habe dich gesehen! Und einen wie dich würde ich in der tiefsten Hölle, wo der Schwefel des Teufels in den Augen beißt, noch erkennen!«
    Alaïs sah, wie Emy zusammenzuckte. Ganz anders reagierte Aurel. In dem Augenblick, da aus seiner Flucht ein hoffnungsloses Unterfangen wurde, leugnete er, sie je geplant zu haben. Er ließ die Schultern sinken, blieb stehen und wandte sich gelassen um. Er wartete nicht, bis der Fremde auf ihn zugeeilt war, sondern trat ihm forsch entgegen.
    »Ich laufe nicht davon«, bekannte er grußlos. »Schon gar nicht vor dir!«
    »Javier!«, wiederholte der Mann, und diesmal klang es triumphierend.
    Alaïs kramte in den Tiefen des Gedächtnisses und glaubte sich daran zu erinnern, dass Javier Aureis wahrer Name war, er sich später jedoch nach dem Dorf genannt hatte, aus dem er stammte.
    »Javier Autard …«
    Der Fremde reichte ihm gerade mal zum Kinn, war jedoch doppelt so breit wie er. Nicht nur, dass sein Bauch einer mächtigen Kugel glich, obendrein waren seine Schultern und Beine ungemein stämmig, seine Hände glichen Pranken, sein Nacken quoll ihm förmlich über die Tunika. Auch wenn es ihm gelungen war, Aurel einzuholen – es hatte ihn große Mühe gekostet, wie sein schnaufender Atem verriet.
    Doch anstatt sich auszuruhen, begann er zänkisch auf ihn einzuhacken: »Hier hast du dich also verkrochen. Und bist auch noch dreist genug, dich als großer
Cyrurgicus
feiern zu lassen! Welch eine Schande für unsere Zunft! Aber das passt gut zu dir – dich zu verstecken, anstatt dich der Wahrheit zu stellen!«
    »Ich verstecke mich nicht! Schon gar nicht vor dir!«, entgegnete Aurel kühl.
    »Aber vor Raymond de Molières – vor dem hast du dich versteckt!«
    Emys Blick ging flink zwischen den beiden hin und her. Eben schien er Aurel etwas zurufen zu wollen, doch Aläis störte dieses Trachten mit einer Frage. »Wer ist Raymond de Molières?«
    »Der Kanzler der Universität von Montpellier«, raunte Emy.
    »Ich verstecke mich auch nicht mehr vor Raymond de Molières!«, rief Aurel indes. »Pah! Du hast ja keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast!«
    »So bist du!«, zischte der andere errötend. »Trotzig und stolz selbst im Augenblick der Niederlage.«
    »Niederlage? Du sprichst im Fieber! Denkst du etwa, du kannst mir schaden? So wie einst? Die Zeiten haben sich geändert, Ludovicus. Hier bin ich nicht ein einfacher Student. Hier bin ich …«
    Aurel reckte sein Kinn, schien über jenen Ludovicus förmlich hinauszuwachsen, wollte stolz sein Amt benennen, doch Ludovicus kam ihm zuvor: »Hier bist du
Cyrurgicus
des Papstes. Ich weiß, deswegen wollte ich dich auch kennenlernen.«
    Er warf kurz einen Blick über die Schultern, doch die beiden Männer, in deren Mitte er gegangen war und die ihm den päpstlichen Leibarzt hatten vorstellen wollen, waren ihnen nicht gefolgt. Vielleicht hatten sie sich vom Spiel eines Gauklers ablenken lassen, vielleicht hatten sie einfach keine Lust, an einem Tag wie diesem zu rennen.
    »Kann mir nicht vorstellen«, knurrte Aurel, »dass du in der Zwischenzeit ein annähernd hohes Amt errungen hast. Deine Finger sind viel zu fett, um auch nur eine einfache

Weitere Kostenlose Bücher