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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Tage ungemindert ihren Fortgang nahmen. Diese Feste zogen nicht nur die Bevölkerung Avignons an, sondern auch jene Menschen, die tageweise für das Großereignis angestellt worden waren, von weit her kamen und hinterher die Gelegenheit nutzten, die Stadt des Papstes genauer in Augenschein zu nehmen. Gaukler und Akrobaten verdienten sich an jeder Ecke ihr Geld, und notdürftig aufgestellte Tafeln bogen sich unter Köstlichkeiten, die der Papst und der König gespendet hatten.
    Alaïs zog mit Marguerite und Roselina umher. Das Kind ließ sich von der Aufregung anstecken, die Mutter hingegen wurde immer verdrießlicher, wurden doch mit jedem Tag die Gassen verdreckter. Am Abend des dritten Tages entschied sie, vorzeitig mit dem Kind heimzugehen.
    »Warum denn jetzt schon?«, klagte Alaïs.
    »Warum denn jetzt schon?«, klagte auch Roselina.
    Marguerite blieb streng. Fast verächtlich blickte sie nun auf die Menge, durch die sie eben noch selbst begeistert geschlendert war. Nicht weit von ihnen wurde an einer Theke Wein ausgeschenkt, daneben drehten sich an einem Bratspieß krosse Hühnchen. Ein Jongleur mit seltsamer Hose – das eine Bein war grün,das andere rot – erfreute die Menge, indem er zuerst mit äpfeln, dann mit Birnen, zuletzt mit Eiern jonglierte. Als er Letztere fallen ließ, ward ihm nicht nur mit spöttischem Grölen geantwortet; vielmehr sahen sich die Umstehenden ermutigt, sich nach dem Unrat zu bücken, der die Straßen verklebte, und nach ihm zu werfen, bis er um Gnade bettelte. Leichter hatte es ein Gaukler, der ein Hündchen durch einen Reifen springen ließ, und am meisten Gaffer zog jener an, der an einem Strick einen Tanzbären mit sich zog.
    »Ich will doch noch den Bären sehen!«, bettelte Roselina. Doch Marguerite ließ sich nicht erweichen.
    »Es reicht! Das ist etwas fürs gewöhnliche Pack. Sollen die ihren Spaß dran haben.«
    Alaïs kniff gekränkt ihre Lippen zusammen. Sie hatte ihren Spaß – gehörte sie darum zum Pack? Und seit wann war Marguerite ein Kind von Traurigkeit?
    Nun, dachte Alaïs missmutig, sobald sie mit ihrem eigenen zusammen war …
    Als die beiden von dannen gezogen waren, die eine widerstrebend, die andere fordernd, stürzte sie sich alleine in das Treiben, bestaunte Quacksalber und Zauberkünstler, Geschichtenerzähler und Troubadoure – oder solche, die sich so nannten.
    Als die Nacht sich über die Straßen senkte und die Menschen zu ihrem Bedauern stiller wurden – das einfache Volk beugte sich der Finsternis, wie sich zeigte, gehorsamer als die noblen Herren, die sie für ein heimliches Leben nutzten – wollte sie sich auf den Heimweg machen und traf nicht weit vom Palast auf Emy und Aurel.
    Ersterer machte einen angestrengten, müden Eindruck, Letzterer einen gelangweilten.
    »So viel Trubel wie heute, das wünschte ich mir immer!«, stieß sie atemlos hervor.
    »Für so viel Trubel gibt’s erstaunlich wenig Verletzte«, knurrte hingegen Aurel.
    Emy verbiss sich ein Grinsen. »Im Papstpalast steht seit Tagenkeiner mehr still, so viel gibt es zu tun. Bin froh, wenn es vorbei ist«, bekannte er.
    Alaïs schüttelte über solch eine unverständliche Vorliebe, das Leben in geordneteren und folglich stilleren Bahnen verlaufen zu sehen, den Kopf.
    »Habt ihr den Tanzbären gesehen?«, fragte sie schnell.
    »Er tanzt nicht. Er folgt nur jenen Bewegungen, die man ihm einst eingebläut hat, indem man ihn auf glühenden Kohlen gehen ließ«, warf Emy ein.
    »Dann muss er dicke Narben an den Füßen haben«, meinte Aurel, und Alaïs sah, wie sein Interesse erwachte. Schon sah sie ihn vor dem Bärenzwinger stehen, um das Untier zu untersuchen.
    »Kann mir nicht vorstellen, dass er sich anfassen lässt. Wahrscheinlich reißt er dir den Kopf ab.«
    Aurel zuckte die Schultern, machte den Mund auf, offenbar, um zu erwidern, dass er, wenn er nur wollte, schon Wege finden würde, das Tier zu bezwingen. Doch ehe er etwas sagte, erstarrte er plötzlich. Sein Blick war über die Menge geglitten und bei einem Gesicht hängen geblieben, das er offenbar kannte. Ungläubigkeit breitete sich in seinen Zügen aus.
    »Aurel, was …«
    Fast tonlos kroch ein Name über seine Lippen. Alaïs hatte ihn noch nie gehört, doch nun drehte sich auch Emy nach den drei Männern um, die sich aus der Menge lösten und direkt auf sie zusteuerten. Es schien der Mittlere von ihnen zu sein, der Aurel erschreckt hatte.
    »Wir müssen …«, setzte Emy an.
    »Aurel Autard!«, rief eben einer der

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