Die Gefährtin des Medicus
angeht!«, schnaubte Aurel.
Doch Ludovicus war weniger wortkarg. Schnaufend schob er sich vor Aurel, hob die Hände und begann den Vorwurf zu wiederholen, ausschweifender nun, sich zwischen den Worten genügend Zeit zum Atmen gönnend. Alaïs verstand zwar Wort für Wort, doch die Aufregung war so groß, dass sich ihr Zusammenhang nicht erschloss. Von Montpellier war die Rede, von der medizinischen Fakultät, davon, dass Ludovicus heute ein Medicus sei, ein höchst angesehener im Übrigen. Als Student sei er Aurel das erste Mal begegnet, und sie hätten um ein angesehenes Amt rivalisiert – das des
Demonstrators.
Seine Stimme überschlug sich. Von Betrug war unvermittelt die Rede, von Anmaßung und Leichenraub, von einem unehrenhaften Verweis.
Gaufridus hörte sich alles bedächtig an. Sein Lächeln wurde sichtbar breiter.
»Wenn das der Papst hört«, meinte er zufrieden und schien genug verstanden zu haben. »Wenn das …«
»Wenn der Papst was hören wird?«, ertönte hinter ihnen eine Stimme.
Alle fuhren sie herum, selbst der steife Aurel, und Alaïs hörte Emy verzweifelt aufstöhnen, als sie gewahrten, wer noch von dem Aufruhr angelockt worden war, von weiteren Soldaten umgeben und obendrein von einer Handvoll Priester, die Aurel ebenso neugierig wie abfällig anstarrten.
Schlimm genug, dass das Geplärre von Ludovicus Gaufridus Isnardis Aufmerksamkeit erregt hatte – nun hatte es ausgerechnet den noch schlimmeren Feind herangelockt: Gasbert de Laval.
Die Ritter standen augenblicklich steif, die Priester warfen sich wissende Blicke zu. Wahrscheinlich waren es Kapläne, die zur
Familia
Gasberts gehörten – und wahrscheinlich hatten sie gelernt, wie leicht sich ihrem Herrn eine Freude machen ließ, wenn man dessen Ablehnung für Aurel teilte.
Forsch wandte sich Gaufridus an die Ritter, ohne sich die Mühe zu machen, sich mit Gasbert erst abzusprechen: »Also, worauf wartet ihr? Dieser Mann hier hat gefordert, Aurel Autard festzunehmen – und ich kann dem nur zustimmen, auf dass den Vorwürfen in Ruhe nachgegangen werden kann.«
Ludovicus kicherte auf, doch die Ritter blieben starr und richteten ihre Blicke hilfesuchend auf Gasbert de Laval.
Der erwiderte weder Gaufridus' sattes Lächeln noch dessen verunsicherten Blick, als schließlich nicht geschah, was er verlangte. Keinerlei Triumph hatte sich in seinem Gesicht ausgebreitet, nur Nachdenklichkeit. Schließlich hob er langsam die Hand und deutete den Rittern an, sich zurückzuziehen.
»Es gibt hier nichts zu tun.«
Gaufridus zuckte sichtlich zusammen. »Aber …«
»Es gibt hier nichts zu tun«, wiederholte Gasbert, nicht lauter, aber schneidender. Gaufridus wagte nicht, noch etwas zu sagen, kaute unsicher auf seinen Lippen. Ein enttäuschter Aufschrei entrang sich indes Ludovicus' Kehle, als die Ritter tatsächlich gingen. Sein Stiernacken bebte. »Es kann doch nicht sein, dass …«
Gasbert maß ihn flüchtig, sprach knapp: »Ihr seid entlassen.«
Es war nicht gewiss, ob er Gaufridus meinte oder Ludovicus.Jener öffnete erneut empört den Mund, wollte seine Vorwürfe nicht einfach übergangen wissen. Doch Gaufridus, der wohl ahnte, dass jener Punkt überschritten war, da es sich noch lohnte, auf den Kämmerer des Papstes einzuwirken, schüttelte den Kopf. Ludovicus schloss den Mund wieder. Seine Kiefer mahlten.
Gasbert de Laval wandte sich an Aurel und musterte ihn wie einen Fremden.
»Habt Ihr etwas zu diesen Vorwürfen zu sagen?«
Aurel kniff die Augen zusammen. »Wie lange habt Ihr auf diesen Moment gewartet?«, gab er zurück.
Gasbert blieb reglos. Nichts verriet die alte Feindseligkeit.
»Ob Ihr etwas zu diesen Vorwürfen zu sagen habt, will ich wissen.«
Ludovicus konnte sich nicht länger beherrschen: »Lasst nicht zu, dass er Euch belügt«, rief er dazwischen.
Gasbert warf ihm einen Blick zu, der ähnliches verhieß wie der der Menge, als einer der Jongleure zuvor das Ei hatte fallen lassen. »Wie heißt Ihr?«
»Ludovicus Boquin. Und ich komme aus …«
»Also«, Gasbert unterbrach ihn scharf, und wandte sich wieder an Aurel. »Was habt Ihr zu sagen?«
Aurel reckte den Kopf. »Dass ich ein guter
Cyrurgicus
bin. Nichts weiter. Kein Mensch der Welt kann mir das in Abrede stellen.«
»Pah!«, schrie Ludovicus auf. »Ein Betrüger ist er!«
Gasbert hob wieder die Hand – ähnlich jener Geste, mit der er zuvor die Ritter vertrieben hatte.
»Wagt es nicht, den Leibarzt des Papstes zu verleumden!«
Alaïs war verwirrt.
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