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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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sich Richtung Tür. Hatte er zuvor noch Schwierigkeiten gehabt, aufrecht zu gehen, so floh er nun ohne größere Anstrengung vor der Frage, ob und wie viel er zu zahlen gedenke.
    Der ausbleibende Lohn schien Aurel nicht zu stören – vielmehr die Zeitverschwendung.
    »Was sollte das?«, fuhr er Alaïs empört an.
    »Wirfst du mir vor, dass ich dir einen Kranken gebracht habe?«, fauchte sie zurück. »Ich könnte gern drauf verzichten, glaub nicht, dass ich dich unbedingt sehen will. Aber was, wenn du deswegen einen verpasst, den es aufzuschneiden lohnt?«
    Wortlos verließ er die Stube.
    »Wie merkwürdig«, murmelte Emy, der alles stumm verfolgt hatte. »Wie merkwürdig, dass er wegen solch einer Lappalie Aureis Hilfe sucht …«
    Alaïs zuckte die Schultern. »Er stammt nicht von hier. Wahrscheinlich hat er einfach nur nach einem Medicus gefragt.« Und schließlich – das gab sie vor Emy freilich nicht zu – war der Mann zuerst zu ihr gekommen, nicht zum
Cyrurgicus
des Papstes.
    Emy gab sich mit der Erklärung zufrieden, zumindest verlor er kein Wort mehr über den Franziskaner, sondern bot ihr an, sie nach Hause zu begleiten.
     
    Weiche Schatten schmiegten sich um das Grelle, Stechende, Hitzige des Tages. Sie kühlten ihn nicht aus; zu dicht standen die rötlichen Häuser, um wohltuendem Windgeplänkel zu erlauben, den trockenen Staub des Bodens aufzuwirbeln, doch die unbarmherzige Umarmung der Sonne ließ etwas nach.
    Emy war schweigsam. Vielleicht, weil er immer noch über den Franziskaner nachdachte, vielleicht, weil ihn etwas anderesbeschäftigte. Er ging mit gesenktem Kopf und hob ihn erst, als plötzlich ein lautes Rufen erklang.
    Alaïs drehte sich um und sah in der Ferne einen Mann, der ihnen nicht nur etwas Unverständliches zurief, sondern obendrein heftig winkte. überzeugt, dass er sie womöglich auf eine Gefahr aufmerksam machen wollte, die hinter ihrem Rücken drohte, blickte sie hektisch in sämtliche Richtungen. Doch die Straße war fast leer; die wenigen Menschen gingen ruhig ihres Weges.
    Der Fremde hörte jedoch nicht auf, auf sie einzuschreien, selbst dann nicht, als er auf sie zugerannt kam und vor ihnen stehen blieb. Eine unbekannte Sprache nutzte er, die so unangenehm klang, als würde man zwei Münzen aneinanderreihen: Merkwürdig abgehackt waren die Laute, hatten nichts mit dem rauen Singsang des okzitanischen oder provençalischen Dialekts gemein.
    »Was … was wollt Ihr?«
    Während Alaïs zurückgewichen war, hatte sich Emy schützend vor sie gestellt. Prompt packte der Mann ihn an den Schultern und redete noch aufgeregter auf ihn ein.
    »Ich verstehe Euch doch nicht!«, suchte Emy ihm entgegenzuhalten, doch die Rede riss nicht ab. Lediglich ein wenig leiser war er geworden.
    Alaïs spitzte die Ohren, bemühte sich, aus den abgehackten Silben einen vertrauten Namen herauszuhören. Doch sie hätte nicht einmal sagen können, ob er sich stets wiederholte oder ständig Neues hinzufügte.
    »Bitte!«, suchte Emy ihn wieder zu unterbrechen, und er begann, sich gegen den festen Griff zu wehren. »Was wollt Ihr denn? Es hat doch keinen Zweck, mit mir zu reden, wenn ich Euch nicht verstehen kann!«
    Die Augen des Mannes schienen nahezu aus den Höhlen zu treten – war er verzweifelt, ängstlich, zornig? Suchte er Hilfe bei Emy, oder klagte er ihn einer Untat an? Nicht einmal das war seinen wirren Lauten zu entnehmen.
    Ängstlich blickte sich Alaïs um, suchte nach Menschen, denenman trauen konnte. Die wenigen, die an ihnen vorbeikamen, hielten ihre Gesichter gesenkt. In einer Stadt wie Avignon ließ es sich am besten durch den Tag kommen, schenkte man dem Geschrei von Fremden keine Aufmerksamkeit.
    Indessen sprach der Mann fort und fort. Was, wenn seine starken Hände sich nicht mehr damit zufrieden gaben, Emys Schultern zu packen? Was, wenn sie nach seiner Kehle griffen? Mochte er auch nichts Böses im Sinn haben – bedrohlich wirkte er ob jener fremden Laute und der kräftigen Gestalt, der Emy nichts entgegenzusetzen wusste, in jedem Fall.
    »So lasst ihn doch«, stammelte Alaïs. Auf sie freilich achtete er gar nicht, genauso wenig, wie es ihn bekümmerte, dass sie nun laut um Hilfe zu schreien begann, zunächst zwecklos, dann jedoch, als sie eine Gruppe junger Männer um die Ecke biegen sah, wirkungsvoller.
    Der Kleidung nach waren es Knappen des Papstes. Vielleicht war sie manchen von ihnen schon nachts in der Taverne begegnet, vielleicht aber auch in Aureis Haus, wenn diese

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