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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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dorthin Waren lieferten.
    Anders als Avignons gleichgültige Bürger reagierten sie augenblicklich auf ihr Rufen und ihre verzweifelten Gesten. ähnlich hastig, wie der Mann auf sie losgestürmt war, bildeten sie nun einen Kreis um ihn und forderten ihn auf, Emy endlich loszulassen und sich zu erklären.
    Mochte er die Worte der jungen Männer auch nicht verstehen, so ließen ihre Gesichter wenig Zweifel daran, dass sie ihn notfalls mit Gewalt fortschaffen würden. Endlich ließ er Emys Schultern los, der sich die schmerzende Stelle rieb.
    »Wer seid Ihr? Was wollt Ihr?«, bellte einer der Knappen.
    Der Fremde schien zu überlegen, starrte auf den Boden und scharrte mit den Beinen. Doch dann, urplötzlich, lief er los und drängte sich an zwei der Knappen vorbei, die zu überrascht waren, um ihn zu packen.
    »Nicht!«
    Emy war es, der die jungen Männer davon abhielt, die Verfolgung aufzunehmen. »Nicht! Lasst ihn laufen! Es ist doch nichts weiter passiert.«
    Alaïs stieß einen verächtlichen Laut aus. Nichts weiter passiert! Einen riesigen Schrecken hatte der Fremde ihr eingejagt! Wäre es nach ihr gegangen so hätte sie mit Freude zugesehen, wie die Knappen den Mann zu fassen bekämen und ihm zur Strafe ein paar Ohrfeigen versetzten. Das passte zu Emy, dachte sie gereizt, dass er lieber beschwichtigte, anstatt Strafe einzufordern.
    »Kanntet Ihr den Mann?«, wandte sich indessen einer der Knappen an Emy.
    Er schüttelte stumm den Kopf.
    »Ein Deutscher«, meinte einer der jungen Männer. »So wie er sprach, war es ein Deutscher.«
    Später, als sie sich von den Knappen getrennt hatten und sich ungestört auf den Weg zu Giacintos Heim machten, fragte Alaïs, was es damit auf sich hatte. Vielen fremder Länder Herren war sie in Avignon begegnet, doch meistens stammten diese aus südlicheren Gefilden.
    »Denkst du tatsächlich, dass es ein … Deutscher war? Was wollte er dir wohl sagen?«
    Emy rieb sich immer noch die Schultern. Mochte er auch gleichmütig wirken wie stets, am Beben seiner Hände erkannte sie, wie sehr ihm jene Begegnung zugesetzt hatte.
    »Wenn es so war, zählte er wohl zu den Gesandten von Ludwig von Bayern.«
    »Von wem?«, fragte sie verständnislos.
    Er lachte, aber es klang wie ein Seufzen. »Ach herrje, Alaïs. Wie kann es sein, dass eine wie du, die hier in Avignon lebt, so wenig weiß? Ich habe dir doch erzählt – von jenem Krieg zwischen Guelfen und Ghibellinen. Er ist nach dem Tod von Heinrich VII. ausgebrochen.«
    Alaïs konnte sich an nichts dergleichen erinnern.
    »Friedrich von österreich und Ludwig von Bayern kämpften lange Zeit um die Kaiserkrone – und im letzten Jahr hat Ludwig seinen Widersacher in Mühldorf am Inn besiegt. Der Papst,der Friedrich unterstützte, lebt seitdem in Angst, Ludwigs Truppen könnten Avignon besetzen, umso mehr, da der Feldzug von Bertrand du Poujet nicht den erwünschten Erfolg in Italien brachte, er in Mailand vielmehr scheiterte.«
    Er seufzte wieder, als sie die Augen ob der vielen fremden Namen verdrehte.
    »Was geht’s mich an?«, rief sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Als wärst du Aureis Schwester, so redest du. Auch ihn kümmert’s nicht, was rund um ihn geschieht.«
    »Und was nützt es dir, dass du’s weißt? Was dieser Wahnsinnige wollte, vermagst du dennoch nicht zu sagen.«
    Sie beschleunigte den Schritt, als ließe alles Unverständliche und Befremdliche sich abschütteln, lief man nur schnell genug davon. Eine Weile erging sich Emy noch in Vermutungen, dann hatten sie Giacintos Haus erreicht und verabschiedeten sich ohne viele Worte.
     
    Die Sommerhitze nahm auch Ende August kein Ende und trieb Alaïs stets aufs Neue zu dem vermeintlich einzig kühlen Ort in Avignon. Selbst dort schienen ihr die Sonnenstrahlen so klebrig wie die Fäden eines Spinnennetzes, das sich immer enger und immer vernichtender um sein Opfer spannt. Wenn sie gemeinsam mit Roselina die Karpfen in Stephanus' Fischteich beobachtete, so neidete sie den Fischen ihre kühle Umgebung und hätte sich am liebsten selbst darein versenkt, mitsamt der verschwitzten Kleidung – bis ihr Haar so nass und dunkel gewesen wäre wie die Schlingpflanzen.
    Erstaunlich, dass Roselina nicht schwitzte. Das weiße Kleidchen war so trocken und rein, als hätten Marguerites gestrenge Mahnungen nicht nur die Macht, das Kind striktem Gehorsam zu unterwerfen, sondern auch, es gegenüber jedwedem Wetter unempfindlich zu machen. Das bleiche Gesicht war kaum gebräunt, lediglich ein paar

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