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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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mit Worten überhäuft hat, hat dem Zweck gedient, auch mich hineinzuziehen.«
    »Hineinzuziehen – in was? Und warum dich?«
    »Man wird mir vorwerfen, dass ich es war, durch den das von dir beschaffte Gift auf den Teller des Papstes kam. Des öfteren schon bin ich sein Vorkoster gewesen, erinnerst du dich nicht, Aurel? Die Oberköche und die Einkäufer wechseln sich darin ab, eine
Proba
vom Teller des Papstes zu sich zu nehmen. Ich kann mir gut vorstellen, was just in dieser Stunde geschieht. Das Mittagsmahl wird aufgetragen; ehe der Papst auch nur einen Bissen isst, wird Gasbert mutig dazwischengehen. Man wird einem Köter das Fleisch vorsetzen und dieser wird elendiglich krepieren. Irgendein falscher Zeuge wird behaupten, ich sei um den Teller geschlichen, und prompt wird der vermeintliche Anschlag enthüllt, den wir beide geplant haben.«
    Aurel schüttelte verständnislos den Kopf. »Warum sollte ich den Papst vergiften, und warum solltest du mir dabei helfen?«
    »Keiner weiß genau, woher du kommst, Aurel. Selbst der Papst nicht. Du könntest dich mit den abtrünnigen Franziskanern zusammengetan haben …«
    Aurel schüttelte wieder den Kopf. Er schien noch an eine Welt zu glauben, in der das, was er für gänzlich widersinnig hielt, auch für jeden anderen Unsinn sein müsste.
    »Abtrünnige Franziskaner?«
    »Wenn du mir nur einmal zugehört hättest«, seufzte Emy. »Wenn du nur einmal …«
    Er brach ab. Er sah wohl ein, dass es keinen Sinn machte, verpatzte Möglichkeiten zu bereuen. »Ein tiefer Riss geht durch den Orden, seitdem der Papst Angelus Clarenus und die Fratizellen der Häresie bezichtigt und sie exkommuniziert hat. Sechs Jahre ist das her. Ein Teil der Franziskaner ist dem Urteil des Papstes gefolgt: François de Meyronnes zum Beispiel, der der Vertraute von Johannes war und blieb. Die Fratizellen hingegen und die, die mit ihnen sympathisieren, sind empört. Nicht wenige haben – aus Angst, als Ketzer zu enden – Unterschlupf bei Ludwig von Bayern gefunden. Jener wiederum ist des Papstes schlimmster Feind. Die Lage hat sich zugespitzt, nun, da Ludwig von Bayern zunächst in Mühldorf, dann in Italien siegreich war und damit droht, Avignon zu besetzen und einen Gegenpapst wählen zu lassen. Verstehst du nun endlich? Wenn man zuerst einen Franziskaner bei dir sieht und obendrein ein Deutscher mit uns zu tun hat – so fällt es leicht, dich einer Verschwörung zu bezichtigen. Und wenn außerdem Ludovicus erzählt, dass du kein
Cyrurgicus
bist …«
    »Ich bin ein
Cyrurgicusl«
    Wieder seufzte Emy, schien um Worte zu ringen. Doch in diesem Augenblick erblickte er Alaïs.
    »Gut, dass du hier bist. Am besten, du kommst sofort mit uns.« Sein Blick streifte sie flüchtig, er schien das Blut nicht zu bemerken.
    »Nun warte doch!«, rief Aurel, »Denkst du, ich wehre mich nicht gegen die Anklage, den Papst vergiften zu wollen? Wenn ich einen Pakt mit einem Deutschen und einigen wild gewordenen Fratizellen geschlossen haben soll, dann muss man mir das beweisen. Und zwar vor Gericht.«
    »Und vor welchem?«, fragte Emy ungeduldig. »Du gehörst nicht zu den
Cives,
zu den Bürgern Avignons. Nur jene fallen unter das städtische Gericht. Du hingegen wirst wie die
Curtesiani,
die Höflinge, behandelt – und jene werden vom päpstlichen Justizmarschall verurteilt. Aurel!«, Beschwörend hob er die Hände. »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass dieser im Zweifelsfall aufdeiner Seite steht? Gasbert de Laval wird ihm Wort für Wort einbläuen, wie das Urteil zu lauten hat.«
    Aurel schnappte nach Luft. Erstmals bröckelte sein Widerstand, er wusste nichts zu sagen. Dazu bereit, nun selbst eilig seine Sachen zu packen, war er freilich noch nicht. Steif blieb er stehen.
    »Nun mach schnell!«, rief Emy. »Wenn wir rechtzeitig fliehen, und …«
    Wieder war sein Blick auf Alaïs geglitten, und diesmal blieb er an ihr hängen. »Alaïs! Was hast du nur … Du bist voller Blut!«
    Sie hob die Hand und war froh, dass sie nicht verräterisch zitterte. Nichts an ihr bebte mehr, auch ihre Lippen nicht. Taub fühlten sie sich vielmehr an, genauso wie die Zunge, und doch schaffte sie es, Worte zu formen. Sie dachte nicht über sie nach, traf nicht bewusst die Entscheidung, Aurel zu retten, nicht das Kind. »Nur Wein … ich bin gegen Weinfässer gelaufen … Es ist nur Wein.«
    Sie hielt Emys Blick stand, vermeinte, darin ihre eigenen Gedanken zu lesen. Gedanken, die nur sie kannte: dass Aurel Roselina nicht

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