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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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würgen. Dann sah sie einen Laib Brot, den die Alte dort barg – und den man ihnen offenbar wie das Wasser gebracht hatte. Gleichwohl für alle gedacht, machte die Alte keine Anstalten, auch nur einen Bissen davon abgeben zu wollen. Alaïs konnte gerne darauf verzichten, trank jedoch gierig vom Wasser und verwendete einen Teil davon, um die Wunde zu säubern.
    »Wasser reicht nicht …«, murmelte Aurel.
    »Das weiß ich auch, dass es nicht reicht, aber was soll ich sonst tun?«, fauchte Alaïs ihn an. Sie war erleichtert, als er endlich das Bewusstsein verlor. Doch seinen Zweifel teilte sie.
    Die Wunde blutete nicht mehr, was zwar bedeutete, dass sein Körper nicht weiter geschwächt wurde, zugleich aber auch, dass kein frisches Blut sie reinigte. Die Ränder wirkten jedes Mal, wenn sie sie betrachtete, noch röter. Sie runzelten sich wie Würmer, die in der Sonne trockneten. Sie hatte die Hautlappen notdürftig aneinandergenäht und ahnte doch, dass dies wohl nicht ausreichte. Der Pfeil war so tief eingedrungen, dass er gewiss einen Teil des Muskels zerfetzt hatte. Doch schließlich wurde es zu finster, um die Verletzung eingehender zu untersuchen.
    Sie lehnte sich zurück. Der Schmerz in ihrem Kopf war nach hinten gewandert, saß nun im Nacken und verkümmerte schließlich. Irgendwann schlief sie ein.
    Sie erwachte von einem Schaukeln, heftiger als jenes, das den vorherigen Tag begleitet hatte. Als sie hinausstarrte, sah sie im fransigen Dämmerlicht nicht länger die Küste, nur schwarzes Wasser.
    »Was geschieht?«, stammelte sie. »Was geschieht nur?«
    Niemand gab ihr Antwort, Aurel schlief, die Ziegenfrau auch. Obwohl sie nichts daran ändern konnte, dass das Schiff von der Insel wegsegelte und sie womöglich nicht nur in die Fremde führte, sondern in die Sklaverei, hielt sie die Augen offen. Starr blickte sie durch die Luke, bis der Morgen endgültig angebrochen war. Das Meer deuchte sie immer noch schwarz und abgrundtief, doch in der Ferne wurde es von ein paar grauen Felsen durchbrochen, über denen dicht der Dunst hing. Es war nichtsicher, ob sich Strand oder Wald anschlossen, oder ob die Felsen einsam inmitten des Meeres hockten. Dennoch entkrampften sich ihre Hände, die sie umeinander geschlossen hatte, als würden sie beten. Vögel umkreisten die Felsen – war das nicht ein Zeichen dafür, dass in der Nähe Land sein musste?
    Der Dunst lichtete sich. Aus der Ahnung eines Schattens hinter den Felsen wurde eine Klippe. Mochten sie auch in den vergangenen Stunden gefahren sein, so hatte die Reise sie offenbar nicht von Mallorca fortgeführt, sondern nur zu einem anderen, nördlicheren Teil der Insel.
    In die Erleichterung mischten sich erneut Fragen: Warum hatte der Mann, der den Mauren glich, sie von diesen befreit? Und wohin führte er sie?
    Ein Ruck ging durch das Schiff, als der Anker niedergelassen wurde. Alaïs schwankte, fiel fast zu Boden. Die Ziegenfrau schlief ungeachtet weiter, Aurel hingegen hob die glasigen Augen.
    »Alaïs …«
    Es war nun wieder hell genug, um seine Wunde zu betrachten, und was sie sah, ließ sie nach Atem ringen. Tiefrot war nicht nur das Fleisch um die mangelhafte Naht, sondern das ganze Schienbein. Selbst die Zehen sahen geschwollen aus. Als sie nur vorsichtig über seine Haut strich, schrie er vor Schmerzen auf.
    »Was soll ich denn tun?«, fragte sie verzweifelt.
    Er biss die Zähne zusammen, presste kaum verständlich hindurch: »Es reicht nicht, sie mit Wasser zu reinigen.«
    Diesmal verkniff sie sich, ihn anzufahren, dass sie das selbst sah. Sie stürzte zur Tür – und stieß dort fast mit einem Mann zusammen. Auf seinem Arm trug er einen Korb, aus dem es würzig nach Käse roch. »Ich habe euch etwas zu essen gebracht«, meinte er.
    Sprach er eine Sprache, die sie verstand? Oder glaubte sie nur, dass er diese Worte sagte?
    »Wer bist du?«, fragte Alaïs.
    Er antwortete nicht.
    »Ich brauche Wein, bitte, wo kann ich Wein haben?«, stellte sie schon die dringlichere Frage.
    Wieder antwortete er nicht, ließ es jedoch zu, dass sie nach draußen stürmte. Wie am Tag zuvor kauerten dort die Mallor – quiner.
    »Hast du schon gehört?«, fragte einer von ihnen, des Katalanischen ohne starken Akzent kundig. »Man wird uns an Land bringen, und dann sind wir frei.«
    Alaïs zweifelte wieder, ob sie die Worte richtig erfasst hatte. Und auch wenn ihnen tatsächlich die Freiheit versprochen war – noch drängender war der Gedanke, dass Aurel, ehe er sie wieder

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