Die Gefährtin des Medicus
erlangte, tot sein würde, wenn sie seine Wunde nicht richtig behandelte.
»Wein!«, rief sie schrill. »Bitte, ich brauche Wein!«
Doch Gelächter war das Einzige, womit ihr geantwortet wurde. Hielt man sie etwa für trunksüchtig?
»Bitte«, stammelte sie wieder. »Ich brauche Wein und sauberes Leinen, und … und eigentlich brauche ich auch Weihrauch und Aloe.«
Das Gelächter legte sich. Erst jetzt nahm sie wahr, aus welcher Kehle es stammte. Nicht die Mallorquiner hatten gelacht, sondern der Mann, der den Käse gebracht hatte und den sie nun erst genauer musterte. Er war nicht viel größer als sie, doch ungemein kräftig. Seine Haut war von der Sonne gegerbt, aber nicht so dunkel wie die der Mauren. Ungewohnt weiße Zähne blitzten aus dem Gesicht hervor. Auch er musterte sie nun, zuerst neugierig, dann wohlwollend, zuletzt noch mehr belustigt.
»Du musst dich nicht aus Angst betrinken, schöne Frau!«, rief er aus. »Denn es besteht kein Grund, Angst zu haben.«
Er war näher getreten. Sie konnte die Hitze seines Körpers fühlen.
»Ich will mich doch nicht betrinken!«, begehrte sie auf. »Ich muss eine Wunde versorgen!«
Die Zähne blitzten wieder. »Wenn das so ist …«, meinte er. Er klang immer noch belustigt, aber er drehte sich nun um und rief den Matrosen etwas zu. Eben noch hatte er ihre Sprache gesprochen, nun nutzte er eine andere.
Als er ihr einen Schlauch reichte, vergaß sie zu danken. Sie entriss ihn ihm förmlich, stürzte wieder in die kleine Kammer und achtete nicht auf das Gelächter hinter ihr.
Aureis Gesicht war noch bleicher geworden. Er hatte das verwundete Bein auf ein Stück Holz gehievt, sodass es höher lag als der restliche Körper. Sein Kopf war zu Boden gesunken, seine Augen waren nicht nur geschlossen, sondern schienen in tiefe Höhlen vergraben. Sein Anblick ließ sie zurückfahren, und prompt stieß sie sich den Kopf an der niedrigen Decke. Der Schmerz ließ sie schwindeln.
»Ich habe Wein!«, rief sie und versuchte, begeisterter zu klingen, als ihr zumute war. »Ich kann die Wunde damit ausspülen. Und dann kann ich versuchen, sie erneut zu nähen …«
Ihr graute, wenn sie nur daran dachte.
Aurel schlug die Augen auf. »Das wird nicht reichen«, stammelte er heiser, als sein Blick auf den Weinschlauch fiel. Er versuchte sich aufzurichten, aber fiel wieder nach hinten.
»Hab’s mir genau angesehen. Alaïs, wenn du mich retten willst, musst du mir das Bein abschneiden.«
Eine Weile blieb es still zwischen ihnen. Aurel wiederholte seine Forderung nicht, und Aläis, die hoffte, dass die Worte sie getrogen hatten, dass sie beginnendem Fieberwahn entsprangen, er dergleichen aber nicht ernsthaft von ihr verlangen konnte, gab vor, sie hätte nichts gehört. Schon bückte sie sich, riss Leinen in Streifen und tränkte es in Wein, um damit die Wunde auszuwaschen.
Noch ehe sie damit beginnen konnte, richtete sich Aurel wieder auf, und diesmal war er stark genug, um sitzen zu bleiben und sie anzuschauen.
Seine Worte glichen den Fetzen, in die sie das Leinen riss. »Alaïs … der Knochen … gebrochen … Fuß völlig verdreht … überlebe das nicht … du musst das Bein abschneiden.«
»Ich kann das nicht!«, kreischte sie, als könnte die Empörung über sein Ansinnen seine Wunde augenblicklich heilen. »Unmöglich kann ich das! Und schon gar nicht hier!«
»Doch, du kannst.« Sie sah, dass er sich seine Lippen wundgebissen hatte, dass der Schweiß wie eine ölige Schicht auf seinem Gesicht, seinem ganzen Leib stand, dass er zitterte, vor Schmerzen und vor Schock.
Dieses Zittern überkam auch sie, als sie einen zaghaften Blick auf das Bein warf und erkannte, dass er in allem, was er sagte, recht hatte. Ihre Zähne begannen zu klappern, als würde sie frieren.
»Du kannst es«, wiederholte er. »Du bist klug … aufmerksam … früher … hast rasch gelernt.«
Und du hast es nie anerkannt, dachte Alaïs. Du hast es nicht für wert befunden, mich zu loben. Du hast mich nie gesehen.
Sie schüttelte den Kopf, wieder und immer wieder. »Aurel, ich habe dir bei vielem zugesehen … aber nicht dabei … nicht, wie man ein Bein abschneidet.«
Sein Kopf fiel wieder auf den hölzernen Boden, schwer wie ein Stein. Sie schrie entsetzt auf, doch er hob die Hand, winkte sie zu sich, auf dass sie mit ihrem Ohr ganz nahe an seinen Mund rückte.
»Hör mir zu! Hör mir ganz genau zu!«
Stoßweise wie sein Atem kamen seine Worte, die einen kräftig, die anderen wie ein
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