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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Blau zu reinigen wie andere mit Wasser.
    »Lebt er?«, stieß Alaïs hervor. Zaghaft hob sie den Kopf. Zu mehr war sie nicht fähig, obwohl sie wusste, dass sie aufstehen und selbst nach Aurel sehen sollte. Aber allein der Gedanke daran lähmte jede Regung.
    »Dank dir … ja«, sprach der Mann. Es klang anerkennend und auch ein wenig spöttisch, als wäre alles, was geschehen war, ein Spiel, bei dem nicht wichtig war, ob Aurel überlebte, sondern wie sie sich dabei angestellt hatte.
    Alaïs drehte ihren Kopf in seine Richtung, musterte sein Gesicht zum ersten Mal eingehender. Bis auf seine weißen Zähne fielihr nichts auf, was ihn von jener Gattung Männer unterschied, die auf dem blitzenden Wasser und unter der heißen Sonne schufteten, wendig und sehnig, kräftig und gegerbt, unempfindlich und niemals ganz sauber.
    »Kann ich nun auch deinen Namen wissen, oder willst du die fremde Schöne bleiben?«, fragte er.
    Alaïs fuhr sich über das Gesicht, fühlte verkrustetes Blut, entweder ihr eigenes oder das von Aurel. Nie hatte sie sich weniger schön gefühlt. Sie lachte bitter auf. »Ich heiße Azalaïs Montpoix … man nennt mich Alaïs.«
    »Und was macht eine Frau aus Frankreich …?«
    »Aus der Provence!«
    »Eine Frau aus der Provence auf dieser Insel?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Doch was macht Ihr … was machst du hier?« Sie korrigierte sich schnell, konnte ihn nach jenen letzten Stunden unmöglich wie einen Fremden ansprechen. »Ich verstehe immer noch nicht, was geschehen ist«, setzte sie hinzu. »Die Mauren … die Mauren haben doch das Dorf überfallen. Und dann plötzlich …«
    »Mein Herr hat euch beide und die anderen freigekauft.«
    Alaïs riss verwundert die Augen auf. »Uns freigekauft?«, stieß sie aus. »Warum? Und vor allem: Warum haben sie’s ihm gewährt?«
    »Nun, weil er selbst ein Maure aus Granada ist.«
    Gänzlich widersinnig deuchte sie, was er da sagte, obwohl es zu dem passte, was sie erlebt hatte. Sein Herr war offenbar die dunkel gewandete Gestalt, die sie am Tag zuvor auf dem Schiff gesehen hatte.
    »Bist du etwa auch …?«, setzte sie an.
    »Nein, nein, keine Angst, ich bin kein Heide.«
    Mit dem Anflug eines Grinsens ließ er seinen Kopf in den Sand sinken. Sie war zu müde, um sich daran zu stören, wie eng er an sie heranrückte, zu müde auch, um zu überlegen, ob sie seine Geschichte überhaupt hören wollte, die er nun zu erzählen begann.
    Ein Sklave sei er einst gewesen. Aus einem Dorf verschleppt,nicht weit von der Grafschaft Barcelona entfernt. Damals sei er kaum mehr als ein Knabe gewesen. Anstatt ihn auf einen der Märkte an den nördlichen Küsten Afrikas oder in Granada zu bringen, habe man ihn auf dem Schiff behalten.
    »Und das war das Schiff des Mannes, der uns freigelassen hat?«, fragte Alaïs. Was er sagte, interessierte sie nicht. Aber seine Geschichte hatte nichts mit Aurel und dem abgeschnittenen Bein zu tun, und das empfand sie als wohltuend. Ein grausames Geschick mochte hinter ihm liegen, und doch konnte er ihretwegen gerne darin wühlen, solange kein Blut hervorspritzte.
    »Nein, nein, es ist noch viel verwirrender.« Er machte eine kurze Pause. »Der Mann, der heute mein Herr ist, heißt Akil.«
    Alaïs nickte, obwohl sie mit dem Namen nichts anfangen konnte.
    »Auch Akil war einst ein Sklave wie ich, aber auch er wurde schließlich freigelassen – von einem Mann, der Pisaner war und der Gaspare hieß.«
    Alaïs nickte wieder. Jener Name blieb etwas länger in ihrem Kopf hängen. Sie hatte das Gefühl, ihn schon einmal gehört zu haben, doch als sie sich zu besinnen suchte, wo und warum, stieg vor ihren Augen kein Bild auf. Vielleicht lag das nicht nur an ihrer Erschöpfung, sondern auch daran, dass ihre jetzige Lage mit dem einstigen Leben nichts zu tun hatte.
    Insgeheim erwartete sie eine Tücke. Warum sollte ein Maure anderen Heiden Sklaven abkaufen, um sie zu befreien? Und warum war wiederum jener Heide mit Namen Akil einst von seinem eigenen Herrn freigelassen worden?
    Der Fremde schien ihre Gedanken zu erraten.
    »Offenbar gab es das Versprechen, dass Akils Sklaverei nur sieben Jahre währen sollte«, antwortete der Fremde, »weil Akil so viel von Schiffbau verstand und Gaspare somit eine große Hilfe war. Nach seiner Freilassung wollte er eigentlich in seine Heimat zurückkehren, aber er fand seine Familie nicht wieder. So tat er sich mit Gaspare zusammen – diesmal nicht als Herr und Sklave, sondern als gleichberechtigte Partner.

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