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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Alaïs«, klang es schließlich gepresst. »Du taugst zu einem Medicus.«
    »Was für ein Unsinn! Ich bin kein Mann!«
    »Weißt du denn nicht, dass es auch viele kundige Frauen in der Medizin gab? Die Medicae Trotula oder Rebecca aus Salerno oder die Magistra Hersende, die König Louis IX. auf dessen Kreuzzug begleitete …«
    »Was willst du eigentlich?«
    Aurel schwieg lange. Sie dachte, es läge daran, weil er es selbst nicht wusste. Weil ihm entglitten war, was er wollte. Doch dann fiel seine Bitte erstaunlich deutlich aus: »Geh nicht zu diesem Mann!«
    Alaïs stockte der Atem. Er musste sie beobachtet haben, musste durch die Ritzen der Kammer nach draußen gespäht haben. Er musste gesehen haben, wie sie mit Sancho scherzte, wie sie mit ihm zurückkehrte von den Ausflügen.
    »Bleib bei mir!«, fuhr er fort. »Hilf mir … Ohne mein Bein werde ich nie der größte
Cyrurgicus
meiner Zeit. Weder in dieser Welt noch in einer anderen. Ich werde irgendwie mein täglich Brot damit verdienen, weil ich nichts anderes gelernt habe … aber du musst mir dabei helfen.«
    »Ich muss gar nichts!«
    »Aber willst du es nicht auch? Stell dir vor … wie wir beide durch die Lande ziehen, so wie einst mit Emy … Oder wir bleiben in irgendeinem Dorf, und die Kranken kommen zu uns, weil man über unsere Taten berichtet … Schließlich werde ich nicht mehr weite Strecken gehen können. Du hingegen … du wirst das tun können. Du wirst für mich die Menschen heilen, die kranken Körper aufschneiden …«
    Verheißungsvoll klang, was er sagte,
wir beide, du und ich, ich sehe dich, ich erkenne dich, du gehörst zu mir
– und zugleich sostinkend, nach Eiter und Blut und dem süßlichen Geruch von Leichnamen.
    »Aurel«, stammelte sie mit gepresster Stimme, und anstatt seine Worte zurückzuweisen, brach es aus ihr heraus: »Aurel, unsere Tochter ist tot.«
    Langsam nur reifte in seinem Gesicht Begreifen. Konnte er sich – anders als an die Behandlung der Kranken – nicht mehr an die Grotte erinnern? Oder musste er sich erst klar werden, wer das dunkle Mädchen vom Schafsmarkt in Marseille gewesen war?
    »Raymonda …«, sprudelte es plötzlich aus ihr hervor, »Ray – monda habe ich von Emy. Ich war nicht gut für sie. Vielleicht war ich auch nicht gut für Aurélie. Sie ist viel zu früh geboren. Und sie war nicht stark genug, um zu trinken.«
    Der Schmerz schnürte ihr die Kehle zu.
    »Kannst du dich erinnern, was ich über Henri de Mondeville erzählte? Dass jener meinte, wer sich der Medizin weihe, könne keine Familie haben? Vielleicht sind wir beide, du und ich, dafür nicht gemacht …«
    »Und dennoch bittest du mich, mit dir zu leben?«
    »Mir fiele keine andere Frau ein, von der ich das verlangen könnte. Eine jede andere würde das nicht wollen. Doch du verlangst keine Versprechen, keine Liebesschwüre und keine Heimat.«
    »Woher weißt du, dass ich das alles nicht will?«, fragte sie trotzig. Sie wandte sich ab, erweckte den Anschein, dass sie wieder nach draußen gehen wollte. Sie tat es nicht.
    »Wie lange würden die Abenteuer währen, die dieser Mann dir verspricht?«, fragte er lediglich. »Nicht sonderlich lange, oder?«
     
    Nachdem sie eine Entscheidung getroffen hatte, drückte sie sich davor, mit Sancho zu reden und suchte stattdessen Akils Nähe. Nicht, dass sie ihm nun mehr vertraute und dass die Scheu vor ihm nachgelassen hätte. Aber schließlich trieb sie die Frage zu ihm, auf welche Weise Aurel und sie wieder zurückkommenkönnten auf heimischen Boden, am besten nach Marseille, wo ihre Reise den Anfang gefunden hatte.
    Akil runzelte kaum merklich die Stirn. »Ich werde euch helfen. Aber willst du das wirklich – in die Heimat zurückkehren?«, fragte er. »Ich dachte … «
    Er sprach den Satz nicht zu Ende, als wäre er sich rechtzeitig gewahr geworden, dass ihn das alles nichts anging.
    »Ich weiß nicht, was ich Sancho sagen soll … und wie«, brach es aus Alaïs heraus. Unter Akils starrem und zugleich wissendem Blick fühlte sie sich wie ein kleines, hilfloses Kind, von den Stürmen des Lebens zerfranst.
    »Deine Mutter … deine Mutter stand auch zwischen zwei Männern.«
    Alaïs zuckte die Schultern. Weder wollte sie sich Caterina anders vorstellen als mit der manchmal mürrischen Entschlossenheit ihrer letzten Jahre noch mit einem anderen Mann als ihrem Vater. Und zugleich fragte sie sich, ob diese Worte überhaupt ihre Lage beschrieben. Anders als Sancho hatte Aurel nie als Liebender um

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