Die Gefährtin des Medicus
genau wollt ihr uns nachweisen als Rechtfertigung dafür, uns gewaltsam festzuhalten?«
»Das soll mir ein Leichtes sein, Euch eine Untat nachzuweisen. Zu welchem Zweck habt Ihr wohl die Leiber der armen Toten aufgeschnitten, wenn nicht, um schwarze Magie zu betreiben?«
Ein Raunen ging durch die Menge, und am lautesten schrie Remi auf.
Aurel lachte gurgelnd. »Was ich tue, hat mit Magie nicht das Geringste zu tun.«
»Das behauptet Ihr. Wollen wir doch sehen, ob ich nicht die Wahrheit aus Euch herausbekomme«, rief Frère Lazaire mit einem Blick auf Josse.
Diesmal schlug Josse seine Faust nicht in Aureis Leib, sondern mitten in sein Gesicht.
»Hör auf!«, schrie Alaïs. »Wag es nicht, dich an ihm zu vergreifen, du Dummkopf!«
Josse fuhr drohend herum.
»Dummkopf!«, wiederholte sie voller Trotz.
Er hob die Hand, als wollte er auch sie schlagen. »Du nennst mich nicht wieder so, du nicht! Wie eine läufige Hündin bist du diesem Satansjünger nachgelaufen!«
»Bitte«, flehte nun Emy mit schwacher Stimme. »Bitte, mein Bruder ist gewiss bereit, Buße zu tun, wenn auch nicht …«
Niemand hörte auf ihn. Ein weiterer Schlag ließ Aurel zusammenzucken. Hätten die Männer ihn nicht festgehalten, er hätte sich nicht länger aufrecht halten können.
»’s dauert nicht mehr lange, dann werdet Ihr nicht nur Blut, sondern auch die Wahrheit ausspucken«, rief Frère Lazaire, doch sein unwilliges Gesicht passte nicht zu seinen höhnischen Worten. Mehrere Schritte war er zurückgetreten, als beschmutzte die Gewalt, die von Josses Händen ausging, die Luft – und zugleich seine Seele.
»Was tut Ihr nur, Frère Lazaire?«, erklang da plötzlich eine bekannte Stimme.
»Mutter!«, rief Alaïs erleichtert und lief rasch zu Caterina, die wohl schon seit einer Weile am Eingang der Scheune gestanden haben musste. Doch diese suchte nur den Blick des Franziskaners.
»Ihr wisst es so gut wie ich, dass Ihr über das Schicksal dieser Männer nicht entscheiden könnt«, setzte sie hinzu.
Frère Lazaire widersprach ihr nicht. »So ist es! Vor ein Inquisitionsgericht gehören sie! Verdienen es nicht weniger, verbrannt zu werden als die verfluchten Katharer.«
»Welch ein Unsinn!«, rief Caterina und schüttelte empört den Kopf. »Was wisst Ihr von den Katharern? Die Katharer hassen den menschlichen Körper, sie glauben nicht, dass Gott ihn erschaffen hat, sondern dass er von einem bösen Demiurgen stammt.«
»Eben!«, fühlte sich Frère Lazaire nur bestärkt. »Wer sonst also würde sich an einem Leichnam vergreifen, wenn nicht die Katharer? Schließlich leugnen sie auch die Auferstehung des Fleisches.«
Caterina schüttelte wieder den Kopf. »Kein Katharer würde freiwillig Fleisch und Blut berühren! Und schon gar nicht würde er einen Leib aufschneiden! Vor der Inquisition hat dieser Mann nichts verloren, das wisst Ihr so gut wie ich.«
Frère Lazaire kaute nervös auf seiner Unterlippe. überdruss stand ihm nun deutlich ins Gesicht geschrieben. Mochte er die unerhörten Ereignisse auch zur Sensation hochpeitschen, indem er oft genug den Satan beschwor oder die Ketzer – insgeheim wusste er wohl, dass es lediglich ein stinkender Leichnam, zwei wahnwitzige Fremde und ein vorlautes Mädchen waren, die ihn von der Nachtruhe abhielten. »Ehe diese Sache nicht geklärt ist«, knurrte er nach einer Weile, »geht hier niemand einfach seines Weges.«
Rasch überschritt er die Schwelle der Scheune.
»Sie bleiben eingesperrt«, verkündete er, »so lange, bis wir uns geeinigt haben, was zu tun ist.«
Wen er außer sich damit meinte und wohin er nun ging, da er in die dunkle Nacht entschwand, blieb ungesagt.
Die Zeit verrann träge. Zunächst hatte Alaïs sie noch damit zugebracht, aufgeregt an den hölzernen Wänden entlangzugehen und nach draußen zu spähen, um zu erkennen, was dort passierte. Doch es gab nicht sonderlich viel zu sehen. Die Männer, die offenbar Josses Befehlen folgten, hatten den Schuppen umstellt. Sie würden von dieser Pflicht wahrscheinlich alsbald genauso gelangweilt und ermüdet sein wie Alaïs vom Eingesperrtsein.
Es war das eine, an Aureis Seite viele heimliche Stunden hier zu verbringen, etwas anderes war es jedoch, nun in diesem engen, stickigen Raum gefangen zu sein. Nicht nur die Untätigkeit und die Angst vor dem Bevorstehenden setzten ihr immer mehr zu, je weiter die Nacht f ortschritt, sondern auch ein fast unerträglicher Durst.
Ob die beiden Männer ebenso litten, konnte sie
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